März 29, 2024

Kolumne 22.08.2022 Nr. 731

731

BuchKolumne 22.08.2022 Nr. 731

Boris Koch – Der Drachenflüsterer – Das Lied der Toteneiche
Vera Kurian – P. S. Morgen bist du tot
Kristina Gorcheva-Newberry – Das Leben vor uns
C. J. Tudor – Das Gotteshaus
Lisa Jackson – Liar – Tödlicher Verrat

 Boris Koch – Der Drachenflüsterer – Das Lied der Toteneiche

Der reiche Orden der Drachenritter zwingt Drachen mit Gewalt unter seine Herrschaft, so wie die alten Legenden es verlangen. Doch der geächtete Drachenflüsterer Ben weiß, dass die Legenden lügen. Ausgestattet mit der magischen Gabe, Drachen zu heilen, bieten er und seine Freunde dem Orden die Stirn. Mit jedem Sieg wächst die Zahl seiner Verbündeten, bis Ben erkennt, dass er dringend Gold benötigt, um seine Mission weiterzuführen. Doch woher nehmen? Gejagt vom Orden der Drachenritter begibt er sich auf die Suche nach dem sagenhaften Schatz am Riff der Seetrolle. Als er dann auch noch Hinweise auf seinen lange verschollenen Vater erhält, bleibt Ben nichts anderes übrig, als den Rat einer Toteneiche zu suchen. Doch diese verlangt für ihre Antworten einen hohen Preis.

Boris Kochs „Drachenflüsterer“-Saga ist ein Jahrzehnt-Projekt. Der erste Band erschien 2008, der vierte Band „Die Feuer von Arknon“ dann im Jahr 2017. Nun haben die Fans der Reihe wieder fünf Jahre warten müssen, doch nun ist er da, der fünfte Band. „Das Lied der Toteneiche“ macht den Einstieg leicht, auch nach so vielen Jahren Abstand. Gleich ist man mitten im Geschehen und schon werden wieder die ersten bösen Ziele ausgegeben, während Ben für eine Bowlingkugel ins Meer springt und beinahe ertrinkt. Es ist also gleich Feuer unterm Dach – ganz ohne Drachen. Doch es geht natürlich immer so weiter. Ben und Anula sind wieder sehr präsent und einfach super sympathisch. Mit ihnen steigt man auf und schwebt nur so durch die Seiten. Wollen Sie spannende und vergnügliche Fantasy-Unterhaltung? Boris Koch liefert sie mit seiner „Drachenflüsterer“-Saga!

Heyne, 427 Seiten; 16,00 Euro

 Vera Kurian – P. S. Morgen bist du tot

Chloe Sevres ist neu an der John Adams University in Washington. Sie ist eine von sieben diagnostizierten Psychopathen, die an einer klinischen Studie der Uni teilnehmen, natürlich komplett anonym. Chloe ist aber noch aus einem anderen Grund hier: Sie will Rache – und den Tod eines Kommilitonen, der ihr übel mitgespielt hat. In 60 Tagen wird sie ihn umbringen. Bevor sie jedoch ihren Plan in die Tat umsetzen kann, funkt ihr jemand dazwischen und tötet erst einen, dann einen zweiten Teilnehmer der Studie. Um nicht als nächstes dran glauben zu müssen, schließt Chloe ein gefährliches Bündnis mit den anderen Psychopathen – immer auf der Hut, nicht von der Jägerin zur Gejagten zu werden.

„P. S. Morgen bist du tot“ ist ein knallharter Rache-Thriller, der einen durchweg in Atem hält. So hatte ich ihn mir zumindest vorgestellt, doch das Buch konnte nur in Zügen meinen Erwartungen entsprechen. Grundsätzlich hatte ich schon ein Problem mit der Ausgangslage der „Psychopathen“-Bande. Das klang schon mehr nach einem Fantasy-Thriller. Das störte mich durchweg beim Lesen. Hart ist der Thriller immer wieder, aber er hält einen keinesfalls durchweg in Atem. Vera Kurian verliert sich zu oft in Nebensächlichkeiten. Auch aus dem Personal holt die Autorin nicht das heraus, was möglich gewesen wäre. Zum Ende hin wird es dann doch noch einmal dramatisch und rasanter, aber „P. S. Morgen bist du tot“ ist bereits morgen wieder ein Thriller, der in Vergessenheit gerät.

Lübbe, 441 Seiten; 12,99 Euro

   Kristina Gorcheva-Newberry – Das Leben vor uns

Kristina Gorcheva-Newberry Das Leben vor uns

Anja und ihre beste Freundin Milka wachsen in den 1980er Jahren am Stadtrand von Moskau auf. Während ihre Eltern gezeichnet sind von den Entbehrungen der Vergangenheit, blicken die beiden Mädchen einer Zeit der Umbrüche und Reformen entgegen. Frech und lebenshungrig versuchen sie, jeden Schnipsel westlicher Popkultur in die Finger zu kriegen. Aber Anjas Jugend nimmt durch eine unerwartete Tragödie ein jähes Ende – und gleichzeitig der Staat, der ihr Zuhause bedeutet hat. Noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs beschließt sie, zum Studieren in die USA zu gehen und dort zu bleiben. Doch beim Versuch, sich im Sehnsuchtsland ihrer Jugend eine neue Heimat aufzubauen, merkt sie, dass sich die eigene Herkunft nicht einfach abschütteln lässt und ein Neuanfang nur möglich ist, wenn die Geister der Vergangenheit begraben sind.

Kristina Gorcheva-Newberry wuchs in Moskau auf, bevor sie in die USA emigrierte. Nett ist, in der Danksagung zu lesen, dass ihr geliebter Mann sie damals geheiratet hat, ohne auch nur die Hälfte zu verstehen, was sie sagte. Die Autorin weiß aber sehr ausgeprägt mit Worten umzugehen. „Das Leben vor uns“ ist ihr erster Roman. Ein Roman, von großer sprachlicher Eleganz! Viele Sätze habe ich mehrmals gelesen, weil sie so schön formuliert waren. Man verliebt sich in die Worte, in die Sprache die Kristina Gorcheva-Newberry wählt. Doch die Geschichte ist nicht nur gehüllt in schöne Worte und Sätze, sondern sie weiß auch mit dem Inhalt zu überzeugen. Die Autorin vermittelt das Leben in der ehemaligen Sowjetunion sehr eindringlich. Die meiste Zeit des Buches spielt vor der Gorbatschow-Zeit und der danach folgenden, kurzen Wende hin zu demokratischen Zügen. Die Zeit von Anja in den USA ist sehr, sehr kurz geschildert, was sehr schade ist. Da verschenkt die Autorin ganz viel Potenzial. Die Geschichte hätte leicht 200 Seiten mehr vertragen, und die hätten mit Anjas neuem, erwachsenen Leben in den USA gefüllt werden können und ihren Blick über den großen Teich und die Veränderungen des Russlands in den 1990er Jahren. So hätte aus einem sehr guten, ein ganz großer Roman werden können. Wenn man über dieses Manko hinwegsieht, ist die Geschichte natürlich trotzdem mehr als lesenswert. Sie zeigt ein Russland von damals, das dem heutigen so sehr gleicht und noch mehr gleich wird, wenn die westlichen Sanktionen Russland wieder in die wirtschaftliche Zeit der 1980er Jahre zurückbefördern. Doch viele Russen lieben wohl dieses russische Untergangsszenario, das von außen angeblich befeuert wird. Dazu zwei Zitate aus dem Roman: „Seit Wladimir Putin Präsident geworden war, sprach er (Anjas Vater) davon, dass der Zerfall der Sowjetunion das größte geopolitische Desaster des zwanzigsten Jahrhunderts sei. Viele Russen, einschließlich meiner Eltern, waren derselben Meinung.“ Und: „Russen sind fatalistisch; wir glauben, unsere Zukunft sei unwiderruflich vorherbestimmt. … vielleicht ist es unser enormer Stolz, unsere übertriebene Eitelkeit, die wir mit ins Grab nehmen, und alles Übrige ist nichts als das Wetter.“ Beim Aufschlagen von „Das Leben vor uns“ liegen vor Ihnen sehr spannende und dramatische Lesestunden mit viel Wissensvermittlung über Russland und dem Denken der Menschen.

C. H. Beck, 359 Seiten; 25,00 Euro

C. J. Tudor – Das Gotteshaus

Vor 500 Jahren: Acht Märtyrer wurden bei lebendigem Leib verbrannt. Vor 30 Jahren: Zwei Mädchen verschwanden für immer. Vor zwei Monaten: Ein Pfarrer hat sich in der Kapelle erhängt. Willkommen in Chapel Croft. Für die Pfarrerin Jack Brooks und ihre Tochter Flo sollte es ein Neustart sein: neuer Job, neues Zuhause. Aber Jack stößt auf eine eingeschworene Dorfgemeinschaft, in der Misstrauen gegenüber Fremden tief verwurzelt ist. Schon bald muss sie sich fragen: Wer schickt ihnen düstere Drohbotschaften? Und warum hat Flo Visionen von brennenden Mädchen? Chapel Crofts Geheimnisse liegen verborgen in einem dunklen Grab, aber nun kehren die alten Gespenster zurück – und sie werden keinen Frieden finden, bis sie nicht Vergeltung geübt haben.

Die Engländerin C. J. Tudor hat mir ihren Thrillern „Der Kreidemann“, „Lieblingskind“ und „Schneewittchen schläft“ für reichlich Furore gesorgt. Nun ist ihr vierter Thriller „Das Gotteshaus“ erschienen. Und wieder erwartet einen kein Thriller von der Stange. C. J. Tudor breitet die düstere Story gekonnt und vielfältig für die LeserInnen aus. Fast 600 Seiten lang darf man in Chapel Croft verweilen. Diese Zeit „genießt“ man mit Gänsehaut. „Das Gotteshaus“ ist ein sehr atmosphärischer und bisweilen gruselig anmutender Thriller!

Goldmann, 558 Seiten; 15,00 Euro

  Lisa Jackson – Liar – Tödlicher Verrat

Lisa Jackson - liar tödlicher verrat

Nach einem bösen Streit mit ihrem schwerreichen, notorisch untreuen Freund James Cahill will Megan Travers nur noch weg von dessen Ranch in den Cascade Mountains. Völlig aufgewühlt macht sie sich auf den Weg zu ihrer Schwester, doch dort kommt sie nie an. Als die Detectives Brett Rivers und Wynonna Mendoza James befragen wollen, finden sie ihn mit einer Kopfverletzung im Krankenhaus vor. James sagt aus, er könne sich an nichts erinnern, weder an Megan noch an seine zahlreichen Affären. Kurz darauf bringen die Morde an zwei Frauen aus seinem Umfeld den Herzensbrecher in Erklärungsnöte.

Die Thriller von Lisa Jackson sind atemberaubend und spannend! Und die Prise Romance fehlt natürlich auch nicht in ihren Büchern. Nicht jeder ihrer mittlerweile vielen Thriller haben die gleich hohe Qualität, aber die meisten spielen in der oberen Thriller-Liga. „Liar – Tödlicher Verrat“ gehört da definitiv dazu. Das Buch gehört zu Lisa Jacksons San-Francisco-Reihe. „Liar – Tödlicher Verrat“ bietet alles, was man vom Lisa-Jackson-Thriller-Kosmos erwartet. Starke Story, starke Figuren, starke Erzählstruktur!

Knaur, 537 Seiten; 14,99 Euro