Kolumne vom 14.12.2015 – Nr. 382
Lucinda Riley
Die Sturmschwester
Ally hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht: Sie ist Seglerin und hat bei manch riskanter Regatta auf den Meeren der Welt ihren Mut unter Beweis gestellt. Eines Tages aber stirbt völlig überraschend ihr geliebter Vater Pa Salt, und Ally reist zu dem Familiensitz am Genfer See. Wie auch ihre fünf Schwestern wurde sie als kleines Mädchen von Pa Salt adoptiert und kennt ihre wahren Wurzeln nicht. Ihr Vater hinterlässt ihr aber einen rätselhaften Hinweis auf ihre Vorgeschichte – die Biographie eines norwegischen Komponisten aus dem 19. Jahrhundert, in dessen Leben die junge Sängerin Anna Landvik eine schicksalhafte Rolle spielte. Allys Neugier ist geweckt, und sie begibt sich auf Spurensuche in das raue Land im Norden.
Wie schon im ersten Teil der Reihe „Die sieben Schwestern“, bei der es um Maias Leben ging, und ihrer Vorvorgeschichte in Brasilien, verschlägt es Allly nun ganz woanders hin. Der Roman beginnt mit Ally im Jahr 2007, die andere Geschichte, die parallel erzählt wird, beginnt im Norwegen des Jahres 1875. Lucinda Riley erzählt somit wieder zwei spannende und dramatische Geschichten in einem Roman. Man hält das Buch nervös und zitternd in den Händen, so nehmen einen die Geschichten mit. Ein stürmisches und leidenschaftliches Lesevergnügen! Lucinda Riley ist eine Garantin für erstklassige Geschichten. Ihre Romane entwickeln alle einen Sog, der es einem unmöglich macht, das Buch wieder aus der Hand zu legen. „Die Sturmschwester“ ist noch besser als der erste Teil der Serie „Die sieben Schwestern“. Unglaublich, aber wahr. Wo soll das noch hinführen? Was wird im nächsten Band geschehen, in dem es um das Leben von Star gehen wird? Lucinda Riley hat mit der geheimnisvollen Sieben-Schwestern-Reihe etwas ganz großes erschaffen!
Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Es lesen: Sinja Dieks, Oliver Siebeck und Bettina Kurth. Jeder der drei macht seine Sache sehr gut. Man lauscht ihnen gerne. 19,99 Euro.
Goldmann, 570 Seiten; 19,99 Euro
Paul Erickson
War was?
Im Jahr 1977 drehte George Lucas den kleinen, aber nett gemeinten Science-Fiction-Streifen „Star Wars“. Von Beginn an war klar, dass er nie ein großes Publikum finden würde – denn wer kann sich schon mit einer überschminkten Prinzessin, einem feigen Schmuggler, einem Riesenaffen und einem offensichtlich erkälteten Typen im schwarzen Taucherhelm identifizieren? Ja, Sie lesen richtig, das ist eine „Krieg-der-Sterne“-Parodie. Sie erzählt nun die „wahre“ Geschichte um den Krieg der Sterne, um diesem fast vergessenen Film doch noch die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die er verdient.
Wenn man über ein Kultprodukt, einer Kultsaga, wie „Star Wars“ eine ist, eine Parodie schreibt, dann muss man wirklich verdammt gut sein, damit man als Autor am Ende nicht als galaktischer Vollhorst dasteht. Paul Erickson ist das nicht gelungen, verdammt gut zu sein. Der deutsche Titel „War was?“, der englische lautet „JarJar Wars“ (eine Anspielung auf Jar Jar Binks, der trotteligen Figur aus „Star Wars“ 1), ist noch das lustigste am ganzen Buch. Das Buch trieft vor grausam unlustigen Anspielungen auf das „Star-Wars“-Universum. Wenn der neue „Star-Wars“-Film so grausam schlecht wäre wie dieses Buch, würde Walt Disney von allen „Star-Wars“-Fans auf Ewigkeit in eine andere Galaxie verbannt werden.
Piper, 266 Seiten; 12,99 Euro
Manfred Clauss
Ein neuer Gott für die alte Welt
Als vor Jerusalem ein Wanderprediger am Kreuz starb, ahnte niemand, dass damit ein neues Zeitalter anbrach. Vier Jahrhunderte später wurde das christliche Bekenntnis zur römischen Staatsreligion. Eine aufregende Geschichte dieses frühen Christentums – von den versprengten Urgemeinden bis ins 6. Jahrhundert. Streiter für ihre Kirche wie Paulus und Augustinus propagieren ihre Lehre, schreiben gegen falsche Propheten an – und Gruppierungen wie Arianer und Doketisten bekämpfen sich bis aufs Blut. Denn es war nicht nur die Liebesbotschaft des Evangeliums, die den Erfolg brachte: Das Christentum, wie wir es heute kennen, ist nicht zuletzt das Ergebnis von Eifer, Gewalt und politischem Kalkül.
Ein Buch, das mir Bekanntes wieder ins Gedächtnis rief, aber mir auch viel Unbekanntes schildert. Man erfährt Dinge, die man zuvor vielleicht gehört hatte, aber nicht im Zusammenhang verstand. Das ändert dieses Buch. Hier lernt man wahrlich das frühe Christentum kennen. Darunter z. B.: dass die Feier der Geburt Jesu mit all ihren Bestimmungen wie etwa dem Datum, dem 25.12., ein völlig heidnisches Ereignis war, heute dennoch eines der größten christlichen Feste ist; dass die Geschichte der Frühzeit des Christentums immer mehr zum Heldenepos geriet und in einer skurrilen Weise bis heute vom Charme des Naiven umgeben ist; dass Origenes schrieb: Solange Christen als Bürger der Erde in ihrem Körper wohnen, bleiben sie ausgebürgert aus dem Reich Gottes; was man auch aus den heutigen Tagen von einer anderen Religion kennt: Der Märtyrer erwirbt mit seinem Tod die Unsterblichkeit. Belohung: engelhafte Substanz der Ewigkeit (keine Jungfrauen); dass die Christen in der Diskussion selten darauf verzichteten, ihre Gegner zu diffamieren; wie das Kirchenvermögen wuchs; dass man, wenn man seinen Kindern etwas hinterließ, sich schwer versündigte; dass Frauen sich verschleiern und das Haus am besten nicht verlassen sollten; von Paulus, Nero, Bischof Cyprian und noch vielem anderen. Es ist schon sehr bedrückend wenn man erfährt, wie u. a. barbarisch das Christum begann und es auch über viele Jahrhunderte war. Von Nächstenliebe keine Spur. Gut, dass sich die Menschen, die Christen, weiterentwickelt haben, und das Christentum nun anders gelebt wird. Eines bleibt aber gleich, damals wie heute: das, was die Schriften des Christentums lehrten, bleibt Auslegungssache.
Rowohlt Berlin, 536 Seiten; 34,95 Euro
Patricia Highsmith
Die Ripley-Romane
Vor 60 Jahren, im Dezember 1955 wurde einer der unheimlichsten und unwiderstehlichsten Serienhelden der Weltliteratur geboren und machte seine Schöpferin zum Weltstar, mit allein in Deutschland über einer Million Lesern: Tom Ripley, der lässig-elegante Hochstapler mit dem Talent zum Morden und sich immer wieder neu Erfinden – in Rom, Paris, London, Salzburg, Hamburg und Berlin.
Mit Tom Ripley hat die unvergessene Weltbestsellerautorin Patricia Highsmith eine Kultfigur des Kriminalromans erschaffen. Sein Treiben ist auf jeder Seite ein literarischer Krimigenuss! Nun hat der Diogenes Verlag alle Romane aus der Ripley-Reihe in einer schicken Schuberausgabe veröffentlicht. Diese macht sich auch gut unterm Weihnachtsbaum.
Diogenes, 2222 Seiten; 60,00 Euro
Rainer Wieland
Das Buch des Reisens
Die Sehnsucht nach Abenteuer und Entdeckung ist so alt wie die Menschheit. Dieser Band versammelt ausgewählte Reiseberichte von der Antike bis heute. Wir begleiten Herodot nach Ägypten, Marco Polo nach China, Humboldt in die Anden, Goethe nach Italien, Heine nach Paris, Gertrude Bell in die Wüste, Amelia Earhart in die Lüfte und Bruce Chatwin nach Patagonien. Wir erfahren von den Reisemotiven, Reisezielen und Reisemitteln, die die Menschen seit ihren Anfängen begleitet und über die sie seit jeher berichtet haben.
Die Sehnsucht nach dem Reisen weckt dieses Buch. Aber anders als man denkt, denn es sind Reisen der Vergangenheit die vor dem Auge lebendig werden und die man nur noch literarisch verfolgen kann. Die Reiseziele haben sich verändert, ebenso die Reisemittel. Der stille Wunsch, diese Zeiten selbst miterlebt zu haben, ist immer da, so anschaulich und bunt beschreibt der Autor diese Reiseabenteuer. Mit diesem Buch eröffnet sich einem eine Zeitreise in die Welt des Reisens. Dieser wunderschöne und edle Band ist zu den Geschichten mit Fotos, Gemälden und Zeichnungen gestaltet. Ein runder Genuss! Und dieser macht sich auch gut unterm Weihnachtsbaum.
Propyläen, 494 Seiten; 48,00 Euro
Hörbuch der Woche
David Safier
Mieses Karma Hoch 2
Die Gelegenheitsschauspielerin Daisy Becker trinkt, raucht und bestiehlt auch schon mal ihre WG-Genossen. Mit Mitte zwanzig hat sie noch immer keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben eigentlich anfangen will. Noch viel weniger weiß sie, was das Wort „Liebe“ eigentlich bedeutet. Und sie wird es in diesem Leben auch nicht mehr erfahren, gerät sie doch in einen tödlichen Autounfall mit dem arroganten Hollywoodstar Marc Barton. Daisy und Marc werden als Ameisen wiedergeboren und erfahren von Buddha, dass sie in ihrem Leben zu viel mieses Karma angesammelt haben. Sie wollen nicht als Ameisensoldaten in den Krieg ziehen, und auch nicht, dass Daisys bester Freund und Marcs Ehefrau ein Paar werden. Doch wie sollen sie das verhindern?
Mit „Mieses Karma“ hat David Safier einen großen Bestseller gelandet. Seitdem schreibt er Komödien, bei denen er kaum an Qualität eingebüßt hat. Nun also die Fortsetzung: „Mieses Karma Hoch 2“. David Safier lässt wieder kein Auge trocken. Man kullert sich vor Lachen. Auch wenn er es manchmal etwas übertreibt, und händeringend versucht, Komik herzustellen, so überwiegen doch die echten, lustigen Momente. Daisy ist eine absolute Nervensäge, mit der man im echten Leben wirklich gar nichts zu tun haben will, aber in einem Roman über sie zu lesen, das macht schon Freude. Marcs Charakter schließt sich da an. Er ist nicht nur eine Nervensäge, sondern dazu noch ein echtes Scheusaal. Die beiden als Team, um wieder ins Leben zurückzufinden, das kann nur in einer lustigen Katastrophe enden. Sie werden zu Ameisen, zu Fischen und noch so einigem mehr. Und sie lernen das Leben und die Liebe schätzen. Der Egoismus wird abgelegt. Daher ist der Roman am Ende auch tatsächlich teilweise ein Abbild unserer Gesellschaft. Komik mit viel Mehrwert! Nana Spier liest voller Witz und Elan. Bei ihr sprudelt die Fröhlichkeit richtiggehend heraus. Sie ist oft so voller Power, das man denkt, sie steht kurz vor einem Herzinfarkt. Doch Nana Spier macht David Safiers neue Komödie noch lustiger.
Auch als Hardcover erhältlich bei Kindler, 18,95 Euro.
Argon Hörbuch, 6 CDs, 486 Minuten; 19,95 Euro
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