Kolumne vom 24.03.2014
Elisabeth Elo
Die Frau, die nie fror
Pirio Kasparov fährt aus einem Alptraum hoch. Wieder schwimmt sie weit draußen vor der Küste Maines im Wasser. Wieder ist es kalt und dunkel. Wieder überlebt sie, und ihr Freund Ned wird nicht gefunden. Auch von seinem Fischerboot fehlt jede Spur. Und dann spürt sie wieder die Hand seines kleinen Sohnes Noah in ihrer, der nicht weint, weil er stark sein will. Pirio schwört sich herauszufinden, wer das getan hat. Wer hat den Frachter auf Kollisionskurs mit ihnen gebracht? Wer war der rätselhafte Mann auf Neds Beerdigung? Sie wird ihn finden. Für Noah. Für sich. Doch eine Frage beunruhigt sie: Warum? Wer war Ned wirklich? Und Pirio folgt Neds Gegnern von Sibirien über Nordkanada bis in die Baffin Bay in Alaska.
„Die Frau, die nie fror“ ist eine außergewöhnliche Geschichte mit einer ausgeprägten, fein gezeichneten Hauptfigur! Die Amerikanerin Elisabeth Elo gelingt mit ihrem Debüt ein dramatischer Roman, dem auch liebevolle, witzige und spannende Momenten nicht fehlen. Man ist von seinen Gefühlen oft hin- und hergerissen. „Die Frau, die nie fror“ ist Unterhaltungsliteratur, Kriminalroman, Drama und spielt in einer berauschenden Gegend, die Elo literarisch gut einfängt. Der Roman ist aber auch nicht ganz einfach, da Elo manch Handlungsstränge etwas übertrieben schildert. Da kann dann auch mal Langeweile aufkommen. Aber Pirio Kasparov retten einen darüber hinweg.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Hörbuch Hamburg. Luise Helm, die deutsche Stimme von Hollywood-Star Scarlett Johansson, verleiht mit ihrer einladenden Stimme den Figuren ein eigenes Gesicht. 24,99 Euro.
Ullstein, 505 Seiten; 19,99 Euro
Julia Keller
Im dunklen Tal
Seit vier Jahren arbeitet die 39-jährige Bell Elkins als Bezirksstaatsanwältin von Raythune County, West Virginia. Carla ist ihre 17-jährige Tochter. Doch als drei alte Männer durch gezielte Kopfschüsse getötet werden, ist es nicht ihr Berufsethos, das die engagierte Juristin sofort zum Tatort eilen lässt, sondern ihr Mutterinstinkt. Denn die Bluttat ereignete sich in dem Fast Food Restaurant, in dem Bell mit ihrer Tochter Carla verabredet war. Carla löst sich nur langsam aus ihrem Schockzustand, doch sie hat den Täter erkannt. Und dieses Wissen bringt Mutter und Tochter in Gefahr.
„Im dunklen Tal“ ist der Debütthriller der Amerikanerin Julia Keller. Von Bestseller-Autorin Karin Slaughter hoch gelobt, kann das Buch bei mir die Erwartungen nicht erfüllen. „Im dunklen Tal“ ist ein Psychothriller, der nur ganz schwer in die Gänge kommt und sich dann kaum vom Platz bewegt. Keller hält sich mit vielen Nebensächlichkeiten viel zu lange auf und lässt so kaum Spannung aufkommen. Auch den Täter findet der Leser schnell, so fehlt es auch hier an Überraschungen. Das alles ist schade, da Keller ihre Figuren durchaus gut gelungen sind. Sie arbeitet bereits am zweiten Fall für Bell Elkins, vielleicht wird dieser spannender.
Goldmann, 508 Seiten; 9,99 Euro
Lloyd Jones
Hier, am Ende der Welt, lernen wir tanzen
Neuseeland 1916. In einer Höhle an der Küste verstecken sich die junge Louise und der Klavierstimmer Schmidt vor den Wirren des Ersten Weltkriegs. Zum Zeitvertreib tanzen sie Tango auf dem Felsboden, die Begleitmusik singen sie selbst. Allmählich kommen sie sich näher, aber schon bald holt die Wirklichkeit sie ein, und Schmidt verlässt das Land ohne Louise. Erst Jahre später begegnen sie sich in Buenos Aires ein zweites Mal. Aber die Vorzeichen haben sich geändert. Im Jetzt, zwei Generationen später trifft die elegante Rosa, Schmidts Enkelin, auf den Studenten Lionel, der in ihrem argentinischen Restaurant in Wellington Teller wäscht. Auf den Spuren ihres Großvaters führt sie ihn, den Jungen vom Land, in die Welt des Tangos ein, und während sie den Zauber der Vergangenheit heraufbeschwört, nimmt eine weitere Affäre ihren Lauf.
Eine wunderbare Geschichte die so leicht erzählt ist, aber große Lovestorys aus dem Gestern und Heute enthält. Eine Schau. Der Neuseeländer Lloyd Jones erzählt mit viel Geschick und Spannung. Er weiß, wann er was einsetzen muss, damit es dem Leser nie langweilig wird. Auch sind seine Figuren so wunderbar gezeichnet, wie die Geschichte erdacht ist. Rose & Lionel so gegensätzlich und doch so verbunden. Auch der Kampf von Louis & Schmidt um die Liebe macht aus diesem Roman ein kleines Highlight!
Rowohlt, 301 Seiten; 19,95 Euro
Thilo Sarrazin
Der neue Tugendterror
Meinungsfreiheit ist bei uns durch das Grundgesetz garantiert. Aber was passiert, wenn einer eine Meinung vertritt, die nicht jedem passt? Der schaufelt sich damit praktisch schon sein eigenes Grab. Thilo Sarrazin geht in seinem neuen Buch diesen und anderen Thesen nach.
Thilo Sarrazin polarisiert wieder! „Der neue Tugendterror“ ist eine höchst interessante Lektüre über unsere Gesellschaft, über die Weltgesellschaft, über Macht, Medien, Politik. Wer nicht mit der Masse schwimmt, der geht schnell unter. Sarrazin will mit diesem Buch klar machen, dass es so nicht gehen kann. Ein Buch, das auf der Bestsellerliste wieder einschlagen wird wie eine Bombe!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Audio Media. Michael Schwarzmeier, der auch die Andreas-Föhr-Krimis liest, holt aus dem Sachbuch richtig was heraus. Da hört man gerne zu! 24,99 Euro.
DVA, 397 Seiten; 22,99 Euro
Anna Funder
Alles was ich bin
1935 werden die deutschen Widerstandskämpferinnen Doria Fabian und Mathilde Wurm tot in einem Londoner Hotelzimmer aufgefunden. Die Gestapo spricht von Selbstmord. Die beiden Frauen waren eng mit dem Revolutionär und Schriftsteller Ernst Toller bekannt. Das ist ihre Geschichte.
Ein bewegender und spannender Roman mit einer Geschichte, die man so schnell nicht wieder vergisst! Anna Funder wurde für „Alles was ich bin“ mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. So eindringlich und vielfältig sie erzählt, bei einer Geschichte mit dieser literarischen Macht kann man das verstehen. „Alles was ich bin“ ist ein Stück deutsche Geschichte, erzählt von einer australischen Autorin.
S. Fischer, 420 Seiten; 19,95 Euro
Hörbuch der Woche
John Grisham
Die Erbin
Spektakulärer hätte der schwerreiche Einzelgänger Seth Hubbard seinen Tod nicht inszenieren können. Als sein Mitarbeiter ihn eines Morgens aufgehängt an einem Baum findet, ist die Bestürzung im beschaulichen Clanton groß. Niemand hätte mit einem Freitod gerechnet. Hubbards Familie sieht das pragmatischer und ist in erster Linie an der Testamentseröffnung interessiert. Was sie nicht weiß: Kurz vor seinem Tod hat Hubbard sein Testament geändert. Alleinige Erbin ist seine schwarze Haushälterin Lettie Lang. Ein erbitterter Erbstreit beginnt. Und das freut die Anwälte, denn nun gibt es viel zu verdienen.
Ein John-Grisham-Gerichtskrimi der alten Schule! Hier zeigt er wieder, was in literarisch groß gemacht hat. Packende Gerichtsszenen und eine Story, bei der man als Leser das amerikanische Recht spannend und unterhaltsam serviert bekommt. Es ist die Fortsetzung von Grishams Weltbestseller „Die Jury“. Es hat aber mit der Vorgängerstory so gut wie nichts zu tun. Charles Brauer verdient sich wie immer ein Sonderlob für seine Grisham-Lesung. Brauer & Grisham – ein glanzvolles Team! Was Brauer aus manchen Gerichtsszenen herausholt, klasse. Er geht voll in den Konflikten der Figuren auf. „Die Erbin“ hören ist ein intensiveres Erlebnis, als es zu lesen. Charles Brauer sei Dank!
Auch als Hardcover erhältlich bei Heyne, 24,99 Euro
Random House Audio, 4 MP3 CDs, ca. 24,5 Stunden; 24,99 Euro
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