März 28, 2024

Kolumne 31.10.2022

BuchKolumne 31.10.2022 Nr. 741

Charlotte Blum – Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
Anne Eekhout – Mary
Kathrin Tordasi – Brombeerfuchs – Der Zauber von Sturmauge
Michael Tsokos – Zerteilt
André Krischer / Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.) – Tyrannen

Charlotte Blum – Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders

Baden-Baden 1922. Das Fräulein vom Amt Alma Täuber liebt ihre Arbeit als Telefonistin und meistert sie mit Geschick und Energie. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Emmi genießt sie es, frei und unbeschwert zu sein und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Als Alma bei einer Telefonschalte zufällig den Bruchteil eines Gesprächs mithört, lässt sie die Stimme des Anrufers, die von einem erledigten Auftrag »bei den Kolonnaden« spricht, nicht mehr los. Alma stellt beherzt Nachforschungen an und findet heraus, dass genau dort eine Frau ermordet aufgefunden wurde. Doch bei der Polizei glaubt niemand an einen Zusammenhang zu dem Anruf – außer Kommissar Anwärter Ludwig Schiller. In ihrer entschlossenen Art lässt Alma sich nicht beirren und begibt sich gemeinsam mit Schiller zwischen mondänen Bäderhotels und illegalen Casinos auf die Spur des Mörders.

„Fräulein vom Amt“ – wer sich geschichtlich ein bisschen auskennt, dem sagt dieser Begriff sofort etwas. Das Charlotte Blum, die sich aus den Autorinnen Regine Bott und Dorothea Böhme zusammensetzt, daraus nun eine Krimireihe macht, ist ein echtes Schmankerl. Die „Fräulein-vom-Amt“-Reihe ist das „Babylon Berlin“ von Baden-Baden! Von Seite 1 an spürt man sofort das Flair der 1920er Jahre, aber auch die vielen Schwierigkeiten, die sich in dieser Zeit auftürmten. Der erste Fall für Alma Täuber, dem Fräulein vom Amt, „Die Nachricht des Mörders“ hat etwas von einem deutschen Hitchcock. Einem Hitchcock aus dessen Anfangszeit. Etwas gemächlicher, aber immer sehr stimmungsvoll und spannend. Die Vorfreude auf den nächsten Einsatz für das „Fräulein vom Amt“ ist groß! Im Januar 2023 erscheint bereits „Der Tote im Kurhaus“.

Scherz, 413 Seiten; 16,00 Euro

  Anne Eekhout – Mary

Es ist der Sommer, den Mary mit ihrem Geliebten Percy Shelley, ihrem neugeborenen Sohn William und ihrer Stiefschwester Claire bei Lord Byron und John Polidori am Genfer See verbringt. Draußen toben Gewitter, nachts sitzen die Freunde am Feuer, trinken mit Laudanum versetzten Wein und lesen sich Gespenstergeschichten vor. Als Lord Byron eines Abends vorschlägt, jeder solle selbst eine Gruselgeschichte schreiben, erinnert sich Mary an einen Sommer in Schottland, als sie und ihre Freundin Isabella den mysteriösen Mr. Booth kennenlernten, einen wesentlich älteren Mann voller Charme und düsteren Geheimnissen.

Im Jahre 1816 hat Mary Shelley, gerade einmal achtzehn Jahre alt, die Geschichte von Frankensteins Monster erschaffen, eine der außergewöhnlichsten, einflussreichsten und faszinierendsten Horrorgeschichten der Weltliteratur. Und was habe ich mich auf diesen Roman gefreut! Die Ankündigung verhieß ein starkes Stück Literatur über ein starkes Stück in der Literaturgeschichte. Ich habe eine spannende Geschichte über Mary erwartet und ihren Weg zu „Frankenstein“. Doch weit gefehlt. Man bekommt „zwei“ Geschichten von Mary geboten, die einer jüngeren und die einer älteren. Und beide zeichnen sich durch eines aus: gähnende Langeweile! Es steht ja Roman auf dem Buch, also hätte man gut und gerne eine spannende Geschichte daraus machen können, auch gerne mit Abweichungen zur realen Figur. Das Wichtigste für die LeserInnen wäre gewesen, eine spannende Story geliefert zu bekommen. Mit „Frankenstein“ als zentralen Mittelpunkt. Dieses Buch wird sicher kein Weltbestseller werden!

btb, 413 Seiten; 22,00 Euro

   Kathrin Tordasi – Brombeerfuchs – Der Zauber von Sturmauge

Eines Tages steht Portias Freund Ben aus Wales bei ihr vor der Tür. Klitschnass, obwohl es seit Tagen nicht geregnet hat. Und ohne Erinnerung daran, wie er zu ihr nach London gekommen ist. Dafür hat er einen seltsamen Schlüssel in der Tasche und eine geheimnisvolle Landkarte mit einem blutroten Pfotenabdruck darauf. Die Karte führt die Kinder in die walisische Anderswelt. Hier ist ein Fuchs nicht einfach nur ein Fuchs, hier kann Portia sich in einen Wolf verwandeln und Ben gerät in große Gefahr. Portia muss sich entscheiden: Will sie frei sein – oder ihren besten Freund retten?

Kathrin Tordasi ist mit „Brombeerfuchs“ ein abenteuerlicher Fantasy-Schatz gelungen! Nach „Das Geheimnis von Weltende“ folgt mit „Der Zauber von Sturmauge“ nun der zweite Band der Reihe. Und wieder geht es stürmisch und ereignisreich zur Sache. Das man die liebgewonnen Charaktere wieder erleben darf freut das LeserInnenherz. Manchmal hätte der Geschichte noch etwas mehr Power gut zu Gesicht gestanden, aber das ist nur ein kleines Manko. Mich hat der „Brombeerfuchs“ abgeholt, Band 1 und Band 2, und mich durch eine magische Welt mit großartigen Charakteren geführt.

Sauerländer, 320 Seiten; 17,00 Euro

Michael Tsokos – Zerteilt

Berlin wird von einer Reihe islamistischer Anschläge erschüttert. Ein Attentäter attackiert Menschen in Aufzügen – wiederholt, mit eskalierender Gewalt. Dabei agiert der Unbekannte so geschickt, dass keine Überwachungskamera ihn zeigt, keine Zeugen ihn beschreiben können. Rechtsmediziner Fred Abel, stellvertretender Leiter der rechtsmedizinischen BKA-Einheit „Extremdelikte“, obduziert mit seinem Team unter Hochdruck die Opfer der Anschläge. Können die Verletzungen der Getöteten Rückschlüsse auf den Täter geben? Unterdessen schwebt die frühere Lebensgefährtin seines besten Freundes Lars Moewig in akuter Lebensgefahr. Marie wurde Zeugin eines eiskalten Mordes, und trotz Polizeischutz in einem Safe House entgeht sie nur um Haaresbreite einem Mordanschlag. Abel ist sich sicher, dass sich ein Maulwurf in den eigenen Reihen befindet, der ihm und Moewig immer einen Schritt voraus ist.

Michael Tsokos ist True Crime auf einem neuen Level! Seine Thriller sind ein Klasse für sich. Die Reihe um Rechtsmediziner Fred Abel wird nun mit dem fünften Band „Zerteilt“ enden. Für Tsokos-Fans sehr traurig. Doch Michael Tsokos gibt im letzten Band der Reihe noch einmal alles. Eine sehr spannende Story, die kaum Zeit zum Luftholen lässt!

Knaur, 352 Seiten; 14,99 Euro

 André Krischer / Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.) – Tyrannen

Tyrannen haben wieder Konjunktur. Eine stetig wachsende Zahl von Autokraten ist dabei, dem westlichen Traum vom unaufhaltsamen Siegeszug der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein Ende zu bereiten. Darunter finden sich kriegslüsterne Despoten wie Putin, aber auch beunruhigende Gestalten vom Schlage eines Erdogan oder Kim Jong Un. Und selbst das Ursprungsland der westlichen Demokratie scheint vor dem Absturz in die Tyrannei nicht gefeit. Was haben Verbrecher wie Putin und Assad und Finsterlinge wie beispielsweise Idi Amin oder Erdogan mit klassischen historischen Bösewichten wie Caligula, Nero, Richard III. oder Ivan dem Schrecklichen gemeinsam? Haben sie überhaupt etwas gemeinsam – außer dem Umstand, dass sie alle als „Tyrannen“ oder „Despoten“ bezeichnet werden? Die zwanzig Portraits in diesem Buch geben Antworten darauf.

Dämonen der Geschichte, dieses Buch versucht sie zu ergründen. Wo ein Tyrann herrscht, kann keine Freiheit sein. Wir sehen das auch heute überall auf der Welt. Russland, Iran, Nordkorea, um nur drei Beispiele zu nennen. In diesem Buch gehen renommierte Historikerinnen und Historiker der Frage nach, welche Wesenszüge und Handlungsweisen Tyrannen eigen sind – weshalb bestimmte Herrscher von der Antike bis heute so bezeichnet wurden. Der aktuell „berühmteste“ tötet derzeit jeden Tag. Tyrann, Terrorist, Kriegsverbrecher, Massenmörder = Wladimir Putin! Da wollte der Kriegstreiber nicht hin, als er die Ukraine überfiel und unschuldige Kinder, Frauen und Männer ermordete und das weiter tut. Er wollte ein Zar der Neuzeit werden, doch er will nicht nur die Ukraine vernichten, sondern sein eigenes Land und seine eigenen Bürger (die zu Hunderttausenden aus dem Land fliehen) gleich mit. Putin hat es geschafft mit Hitler und Stalin in einem Atemzug genannt zu werden, ja, da wollte der Tyrann Putin nicht hin. Doch der Massenmörder Putin (von Karl Schlögel) ist nur eine Figur in diesem Buch. Die weiteren sind: Caligula (A. Winterling); Nero (M. Meier); Heinrich IV. (G. Althoff); Richard III. (A. Krischer); Katharina v. Medici (M. Garloff); Ibrahim „der Wahnsinnige“ (Chr. Vogel); Ivan IV. „der Schreckliche“ u. Peter I. „der Große“ (J. Hennings); Friedrich Wilhelm I. (B. Stollberg-Rilinger); Napoleon Bonaparte (D. Schönpflug); Leopold II. (J. Seibert); Franco (C. Rothauge); Mao Zedong u. Jiang Qing (D. Leese); Pinochet (St. Ruderer); Idi Amin (A. Eckert); Mugabe (Chr. Marx); B. al-Assad (G. Steinberg); Kim Il Sung bis Kim Jong Un (E. Ballbach); Erdogan (K. Konuk) und Trump (M. Hochgeschwender). Putin findet sich in diesem Buch in guter Gesellschaft. „Tyrannen“ ist ein Buch von hoher Aktualität und zugleich von historischer Bedeutung!

C. H. Beck, 352 Seiten; 29,95 Euro