Kolumne vom 30.03.2015 – Nr. 345
David Shields / Shane Salerno
Salinger – Ein Leben
Mit einem einzigen Buch wurde J. D. Salinger 1951 als Schriftsteller nicht nur schlagartig berühmt, er wurde über Nacht zum Kultautor der jungen Generation. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit und der Wirbel um seine Person ließen ihn in die Abgeschiedenheit flüchten, nach Cornish, New Hampshire. Von 1965 an entzog er sich ganz der Öffentlichkeit: Er gab keine Interviews und veröffentlichte nichts mehr. Aber Salinger schrieb weiter. Das Interesse an seiner Person wurde aber nicht weniger. Bis zu seinem Tod im Jahr 2010 pilgerten Tausende Fans zu seinem Haus. Journalisten und Fotografen lagen auf der Lauer. Wer war J. D. Salinger wirklich?
Salinger zum 1ten. Ein bombastisches Buch über den Kultautor! Fast 1,5 Kilogramm schwer, über 800 Seiten Stoff über das Leben von J. D. Salinger. Was für ein allumfassendes Buch. Das Autorenteam hat wirklich ein faszinierendes Werk über Salinger und die Zeit, in der er lebte und wirkte geschrieben. Sie haben das Buch geschickt aufgebaut. Es kommen immer wieder sie selbst und andere, u. a. die Salinger kannten bzw. ihm in seinem Leben begegnet sind, zu Wort. Auch der Meister selbst mit seinen Texten. So ergibt sich aus diesen Einzelfragmenten eine große und großartige Geschichte über J. D. Salinger. So lüftet sich nach und nach der Schleier über den unbekanntesten bekannten Autor. “Salinger – ein Leben” ist weit mehr als die Lebensgeschichte einer der prägendsten amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Es ist ein Buch über Siege und Niederlagen, über Krieg und Frieden, über die große Liebe, den großen Verlust und der noch größeren Einsamkeit. Ein Buch, das über ein halbes Jahrhundert Geschichte erzählt. Eindringlich, präzise und detailreich. Ein Buch das Bestnoten verdient!
Droemer, 824 Seiten; 34,00 Euro
Frédéric Beigbeder
Oona & Salinger
Der Stork Club ist der Club im New York City der 40er-Jahre. Dort begegnet der junge Schriftsteller J.D. Salinger einer Frau, deren mystische Schönheit ihn in seinen Bann zieht: der fünfzehnjährigen Oona O’Neill. Einen Sommer dauert ihre Liebesgeschichte, bis der 2. Weltkrieg ihr ein Ende setzt. Jerry meldet sich zur Armee, und Oona geht nach Hollywood. Die glühenden Liebesbriefe des jungen Autors bleiben unbeantwortet, denn Oona lernt den späteren Vater ihrer acht Kinder kennen: Charlie Chaplin. Jerry wird Oona nie vergessen.
Salinger zum 2ten. Frédéric Beigbeder ist einer der größten Narzissten unter den französischen Autoren! Bevor er mit der eigentlichen Geschichte anfängt, schwadroniert er erstmal wie geil er auf junge Frauen ist. Bravo, das interessiert den Leser brennend, Monsieur Beigbeder (Jahrgang 1965). Und dann fabuliert der Narzisst Beigbeder wie ein Gespenst in Salingers Leben herum. Unerträglich das zu lesen. Derweil hätte man aus “Oona & Salinger” auch einen ganz anderen Roman machen können. Eine Geschichte, die wirklich den Charme der damaligen Zeit eingefangen hätte, und nicht mit so viel Geschwafel und Irrsinn daherkommt wie Beigbeder ihn schreibt. In “Salinger – ein Leben” ist dieser Teil von Salingers Leben viel kürzer, aber trotzdem intensiver und vor allem realistisch dargestellt.
Piper, 304 Seiten; 19,99 Euro
Joanna Rakoff
Lieber Mr. Salinger
Joanna, frisch von der Uni, ergattert im New York der 90er-Jahre einen Job in einer Literaturagentur, die J. D. Salinger vertritt. Die junge Frau mit eigenen literarischen Ambitionen und kompliziertem Liebesleben findet in der Agentur alte Gerätschaften und eine strenge Chefin vor. Sie wird ermahnt, niemals Jerry anzurufen. Es dauert, bis sie begreift wer Jerry ist. Sie muss seine Leserbriefe beantworten. Neugierig geworden entdeckt sie seine Bücher, die sie bisher nicht gelesen hat, und erlebt, wie sie sanft, aber unerbittlich in ihr Leben eindringen und sie zwingen, sich selbst zu erkennen und erwachsen zu werden.
Salinger zum 3ten. “Lieber Mr. Salinger” sprüht vor Sprachwitz, ist klug und nicht überheblich geschrieben. Man kann in eine andere Zeit eintauchen, die gar nicht so lange entfernt ist, und in das Werk des Kultautors J. D. Salinger. Rakoff wirft einen schon fast nostalgischen Blick auf die 90er Jahre. Ein Blick zurück in eine Welt vor Internet, Smartphone & Co. Dort gab es noch Schreibmaschinen, Telefaxgeräte und normale Briefe. Eine Zeit, die sie ja selbst so erlebt hat, denn es ist ja ihr Leben, über das sie schreibt. Und im Buch sieht man, wie Joanna Rakoff mit jedem Monat dazulernt, wie sie reifer und überlegter wird. Zudem gewährt das Buch einem Einblicke in die Literaturwelt, wie sie zum Ende des 20. Jahrtausends ausgesehen hat. “Lieber Mr. Salinger” ist J. D. Salinger mal aus einer ganz anderen Warte gesehen.
Knaus, 300 Seiten; 19,99 Euro
J. D. Salinger
Die jungen Leute
Zwei junge Leute begegnen sich auf einer Party, beide taxieren einander und schwanken jeder auf seine Art zwischen Unsicherheit und Berechnung. Oder der Streit zweier ungleicher Geschwister, in dem die vermeintlich unterlegene Schwester nie ihre Maske fallen lässt. Und noch eine weitere Story ist in diesem Buch enthalten.
Salinger zum 4ten. Über J. D. Salinger brauche ich ja nun nichts mehr zu schreiben. Diese drei Storys sind die ersten Erzählungen des Kultautors. Kurz, aber trotzdem eindringlich und fein gezeichnet. “Die jungen Leute” ist ein kleiner literarischer Schatz, den jeder Salinger-Fan heben sollte.
Piper, 67 Seiten; 14,99 Euro
Henry James
Das Tagebuch eines Mannes von fünfzig Jahren
Florenz – für den Mann von fünfzig Jahren, einen britischen Offizier a. D., gleichermaßen Sehnsuchtsort wie Schauplatz der größten Niederlage seines Lebens. Seine Liebesgeschichte weist verblüffende Ähnlichkeit mit der eines jungen Landsmanns auf. Wie kann das sein?
Henry James (1843 – 1916) war ein Autor mit einem breiten Spektrum, vor allem das psychologische Feingefühl für seine Figuren machen seine Bücher sehr anziehend. “Das Tagebuch eines Mannes von fünfzig Jahren” enthält diese und fünf weitere Erzählungen. Allesamt beschäftigen sie einen über die Lektüre hinaus. Und wieder ein Klassiker aus dem Manesse-Verlag, den man gelesen haben muss!
Manesse, 401 Seiten; 26,95 Euro
Hörbuch der Woche
Raymond Khoury
Furia
Kein Angestellter des russischen Konsulats wird in New York aus einem Fenster gestoßen und stirbt. Was wollte er in der Wohnung des Physiklehrers? Dieser ist verschwunden. Gemeinsam mit einer russischen Geheimdienstmitarbeiterin macht sich FBI-Agent Sean Reilly auf die Suche nach Leo Sokolow. Bald findet er heraus: Der Wissenschaftler ist ein anderer, als er jahrelang vorgab. Die mysteriöse Waffe in seinem Besitz ist unsichtbar und tödlich. In den falschen Händen wäre ihr Schaden unaufhaltbar. Doch Reilly ist nicht der Einzige auf Sokolows Spur …
Raymond Khoury landete mit “Scriptum” einen Weltbestseller. Es folgten weitere erfolgreiche Thriller wie “Immortalis” und “Dogma”. Nun liegt sein sechster Thriller “Furia” vor. Gleich von Anfang an wird man in die temporeiche Szenerie hineingeworfen. Und Raymond Khoury hält das hohe Tempo der Story bis zum packenden Showdown durch. Die Waffe, die Raymond Khoury hier skizziert, macht einem große Angst. Man kann nur hoffen, dass es diese nie wirklich gibt bzw. in die falschen Hände kommt. Wer auf Thriller mit Actionelementen steht, der wird mir “Furia” furiosen Spaß haben! Zwei Aristokraten der Hörbuchsprechergrafschaft geben sich zusammen die Ehre. David Nathan und Simon Jäger. Sie heben durch ihre Lesung die Story auf eine andere Ebene.
Auch als Paperback erhältlich bei Piper, 14,99 Euro
DAV, 6 CDs, 452 Minuten; 19,99 Euro
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