März 19, 2024

Kolumne 10.10.2022

738


BuchKolumne 10.10.2022 Nr. 738

Fernando Aramburu – Die Mauersegler
Chevy Stevens – Tief in den Wäldern
Andreas Gruber 
– Todesrache
Yrsa Sigurdardóttir  – Schnee
Shelby Van Pelt – Das Glück hat acht Arme

  Fernando Aramburu – Die Mauersegler

Die Mauersegler-Fernando Aramburu

Toni ist ein Antiheld, der das Leben nicht liebt. Nur seinen Hund. Er fasst einen Entschluss: Er will allem ein Ende setzen. In genau 365 Tagen. Am 31. Juli beginnt das letzte Jahr, und dieser Roman hat 365 Kapitel, eins für jeden Tag. Die ersten Monate sind für Toni geprägt von Erinnerungen an seine Familie in der wechselhaften spanischen Geschichte, Beobachtungen seiner Landsleute und Erlebnissen, die ihn in seiner Weltsicht bestärken. Doch dann kommt es zu einer unerwarteten Begegnung mit einer Frau, deren Hund auch Toni heißt. Ein Zeichen! Und mit einem Mal gerät Tonis Plan ins Wanken.

„Die Mauersegler“ wird in Spanien schon als Klassiker gefeiert! Und ja, Fernando Aramburu ist mit „Die Mauersegler“ ein ganz großer Wurf gelungen. Ich schätze die Romane des Spaniers sehr! „Patria“ und „Reise mit Clara durch Deutschland“ haben mich zuletzt begeistert. Und nun „Die Mauersegler“. Ein durch und durch grandioser Roman! Er spricht mir sehr oft aus der Seele. Dinge, die man selbst genau so erlebt hat, die einem angetan wurde, die man durchleiden musste, und auch das Glück, das man spüren durfte. Toni ist mir dabei immer unheimlich nah, weniger natürlich sein Gedanke, seinem Leben ein Ende zu setzen. Das gelebte Leben und seine großen Felsbrocken, die es für einen bereithält. Darum geht es in diesem Buch. Und umso viel mehr. „Die Mauersegler“ hätte auch gerne über 1.000 Seiten haben dürfen!

Rowohlt, 830 Seiten; 28,00 Euro

  Chevy Stevens – Tief in den Wäldern

Seit Jahren verschwinden junge Frauen vom einsamen Cold Creek Highway im Nordwesten von Kanada. Das letzte Opfer ist noch nicht lange tot, der Mörder wurde nie gefunden. Nun geraten zwei gegensätzliche Frauen in sein Visier: Die toughe Hailey kennt die Wälder um Cold Creek wie ihre Westentasche. Als sie ein dunkles Geheimnis entdeckt, trifft sie eine unheilvolle Entscheidung. Ein Jahr später kommt Beth, ein Großstadtkind, nach Cold Creek – auf einer persönlichen Suche, die immer gefährlicher wird.

„Tief in den Wäldern“ ist ein solider Thriller, vielleicht gar noch ein bisschen mehr, wenn da nicht ein Problem wäre: die Autorin! Denn die Kanadierin Chevy Stevens gehört zu den absoluten Topstars der weltweiten Thriller-Literatur. Ihre Bücher haben mich immer höchst spannend unterhalten. Daher hatte ich natürlich auch an ihr neues Werk „Tief in den Wäldern“ sehr hohe Erwartungen! Und die konnte Chevy Stevens nicht erfüllen. Der Beginn ist sehr gut, auch zum Ende hin kommt wieder Fahrt in die Geschichte, doch dazwischen müssen sich die LeserInnen auf nicht wenige Längen gefasst machen, die das Genre Thriller nicht im entferntesten Streifen. So bleibt „Tief in den Wäldern“ nur ein solider Thriller, einer Autorin, die schon so unglaublich gute Thriller geschrieben hat.

Scherz, 462 Seiten; 16,00 Euro

   Andreas Gruber – Todesrache

BKA-Profiler Maarten S. Sneijder ist bei seinem letzten Einsatz nur knapp dem Tod entronnen und hat fast sein gesamtes Team verloren. Darunter auch seine Kollegin Sabine Nemez. Da ergibt sich ein Hinweis, dass zumindest sie noch am Leben sein könnte. Unter Hochdruck muss Sneijder nun ein neues Team zusammenstellen, um sie aufzuspüren und aus den Verstrickungen eines hochkomplexen Falles zu befreien. Dabei ist vor allem die Mitarbeit des exzentrischen Leipziger Kripoermittlers Walter Pulaski entscheidend. Doch der ist gerade selbst einem besonders grausamen Verbrechen auf der Spur und zeigt sich wenig hilfsbereit.

Will man einen perfekten Thriller lesen, dann muss man einen Thriller von Andreas Gruber lesen! Mit „Todesrache“ erscheint nun der 7. Fall mit seinem kultverdächtigem Ermittlerduo Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez. Doch halt! Nach dem 6. Fall „Todesschmerz“ und seinem dramatischen und spektakulärem Ende ist anzunehmen, das Sabine Nemez tot ist. Oder doch nicht? Nur eine von vielen neuen Fragen, die in diesem Buch beantwortet werden. Maarten S. Sneijder hat wieder einiges vor der Brust, dass er beiseiteschaffen muss. „Todesrache“ ist wieder durch und durch gelungen. Andreas Gruber ist ein Magier der Spannung!

Goldmann, 582 Seiten; 12,00 Euro

   Yrsa Sigurdardóttir – Schnee

Was zwang die Freunde, sich mitten im harten Winter im isländischen Hochland zu bewegen, in Dunkelheit und Schneestürmen? Und warum verließen sie das kleine Obdach, das sie hatten, kaum bekleidet und den harten Bedingungen vollkommen ausgeliefert? Ein Rettungsteam wird in die abgeschiedene Gegend geschickt, um nach den Vermissten zu suchen. Währenddessen gehen an der einsam gelegenen Radarstation in Stokksnes seltsame Dinge vor sich. Nichts ist so, wie es scheint: Sei es die Blutlache, die im unberührten Schnee fernab der Zivilisation entdeckt wird, oder der kleine Kinderschuh, der Jahrzehnte nach der Vergrabung wiedergefunden wird.

Die bekannte isländische Autorin Yrsa Sigurdardóttir kann eines mit Gewissheit – regelmäßig Bestseller schreiben! Ihre Thriller um Kommissar Huldar und Kinderpsychologin Freyja haben sie auch in Deutschland zur Bestsellerautorin gemacht. Nun legt sie mit „Schnee“ einen neuen Thriller vor. „Schnee“ wird Ihre Nerven erst zu Eiszapfen erstarren und dann wie Butter in der Sonne schmelzen lassen! Ein Thriller, in dem kaum etwas so ist, wie es scheint.

btb, 347 Seiten; 17,00 Euro

  Shelby Van Pelt – Das Glück hat acht Arme

Shelby Van Pelt - Das Glück hat acht Arme

Seit Tova Sullivan Witwe ist, putzt sie im Sowell Bay Aquarium. Ihr fällt auf, wie Marcellus, ein neugieriger, frecher Riesenoktopus, sie aus seinem Aquarium anschaut. Marcellus ist enorm klug, aber für Menschen würde er keinen Tentakel rühren – bis er sich mit Tova anfreundet. Ihm erzählt sie von ihrem Sohn, der vor Jahrzehnten verschwand. Schlau, wie er ist, erkennt Marcellus ein Geheimnis, von dem Tova nichts ahnt. Jetzt hat er alle acht Arme voll zu tun, um die Wahrheit für Tova ans Licht zu bringen – bevor es zu spät ist.

Die Amerikanerin Shelby Van Pelt lässt ihre LeserInnen gleich mit ihrem ersten Roman an einer ganz ungewöhnlichen und warmherzigen Geschichte teilhaben! Einen weisen Oktopus als Hauptfigur in einem Roman zu wählen, das hat schon was. Und dann um diesen Oktopus noch eine so schöne Geschichte herum zu spinnen, Shelby Van Pelt gebührt Applaus. Liebreizende und voller Leben steckender Charaktere runden alles ab. „Das Glück hat acht Arme“ ist wie eine Wärmflasche zum Lesen!

Krüger, 463 Seiten; 22,00 Euro