Aktuelle Kolumne vom 09.01.2017 – Nr. 438


Javier Marias

daumen rauf

Keine Liebe mehr

Keine Liebe mehr

In einer Erzählung wundert man sich über einen Ehemann, der wie besessen seine wunderschöne Frau filmt, das Gefilmte aber täglich löscht, um sie am nächsten Tag wieder dabei zu filmen, wie sie sich in ihrem zu knappen Bikini am Strand rekelt. In einer anderen gibt dem Autors alter Ego Roy Berry Elvis Presley am Filmset von „Holiday in Acapulco“ Spanischunterricht, aber was so harmlos beginnt, endet in einer rüden Schlägerei. In einer weiteren liest man über einen Mann, der in seinem Bekannten sich erkennt und ihn das schockiert. Er muss anders werden, um nicht so wie sein Gegenüber zu sein. Dann sind da noch ein von einer afrikanischen Lanze durchbohrtes Paar, eine Pornoschaupielerin, ein Butler, der in einem New Yorker Aufzug steckenbleibt – mysteriöse Ärzte, wollüstige Ehefrauen, Bodyguards und Gespenster.

Es gibt keinen Autor auf der Welt, der so erzählt wie Javier Marias! Javier Marias bedeutet, Literatur in seiner schönsten Form zu lesen. Sie funkelt wie ein Diamant! Nach seinen grandiosen Romanen folgt nun ein Buch mit gesammelten Erzählungen, bereits erschienene und neue. 30 an der Zahl. Die 23 „Akzeptierten Erzählungen“ sind länger, die 7 „Akzeptablen Erzählungen“ kürzer. Zeitlich beginnt es mit „Leben und Tod des Marcelino Iturriaga““ aus dem Jahr 1968 und endet mit „In Ungnade gefallen“ aus dem Jahre 2005. Javier Marias’ Geschichten nehmen einen sofort für sich ein, auch wenn es nur Kurzgeschichten sind. Das gelingt nicht vielen Autoren, die Kurzgeschichten veröffentlichen. Doch der Spanier weiß immer mit seinem einzigartigen Stil und mit seinen intensiv gezeichneten Figuren zu überzeugen.

S. Fischer, 509 Seiten; 24,00 Euro


Richard Flanagan

daumen runter

Die unbekannte Terroristin

Die unbekannte TerroristinIn einem Fußballstadion werden drei Bomben entdeckt, und Gina Davis verbringt eine Nacht mit einem Fremden. Als sie aufwacht, ist der Mann verschwunden und sie eine mutmaßliche Terroristin. Noch bevor sie sich stellen und alles aufklären kann, entgleitet ihr die Kontrolle über ihr gesamtes Leben. Wer soll ihr noch glauben? Sogar sie selbst kann sich der endlosen Schleife der Fernsehbilder kaum entziehen: Tariq und sie auf den Bildern der Überwachungskameras, Schnitt. Die Bomben im Stadion, Schnitt. Anschläge in Städten auf der ganzen Welt. Gina wird klar, dass diese gigantische politische und mediale Maschinerie nicht mehr zu stoppen ist. In nur drei Tagen ist aus ihr ein vollkommen anderer Mensch geworden: Sie ist der Feind. Sie ist die Angst vor der Bedrohung durch das Unbekannte, das unsere Welt dieser Tage in Schrecken versetzt.

Ein Roman auf den ich sehr gespannt war. Er trifft ja – leider – so das, was gerade auf unserer Welt passiert. Doch schon nach dem ersten Fünftel des Romans ist einem klar, dass dieser Roman einfach schlecht aufgebaut ist und die Figuren ein schlechter Witz sind. Die Story an sich hat natürlich mächtig Potenzial, aber so wie der Australier Richard Flanagan diese Story erzählt, wird daraus ein mittleres Fiasko. Welch riesengroßes Potenzial har der Autor hier verschenkt! Da kann man nur den Kopf schütteln. „Die unbekannte Terroristin“ wurde bereits 2006 in Australien veröffentlicht und erst nach dem grandiosen Roman „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ von Richard Flanagan nun auf Deutsch übersetzt. Es kommt somit auch noch hinzu, dass der Roman in dieser Form überholt ist. Der Terror und die Technik haben sich in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt.

Piper, 330 Seiten; 22,00 Euro


Claire Vaye Watkins

daumen rauf

Gold, Ruhm, Zitrus

Gold Ruhm Zitrus Niemand kann sagen, wann es das letzte Mal in Kalifornien geregnet hat. Das Land liegt unter einer gigantischen Dünenformation begraben, die Bewohner werden, teils mit Waffengewalt, teils durch undurchsichtige bürokratische Vorschriften davon abgehalten, in fruchtbarere Regionen zu ziehen. Einige Überlebende hausen in den Villen und Bungalows, die andere verlassen haben, und leben von Notrationen. Auch Luz und Ray gehören zu ihnen. Als das Schicksal ein zweijähriges Mädchen namens Ig in ihre Hände legt, ändert sich für sie alles. Luz, ehemaliges Model, will des Kindes wegen die Flucht nach Osten wagen, ihr Freund Ray, Kriegsveteran und Surfer, unterstützt sie trotz seiner Vorbehalte. Spätestens als sie in den Weiten der Amargosa-Wüste auf eine sektenartige Kommune und ihren charismatischen Anführer stoßen, wird klar, dass Gefahr nicht nur von der erbarmungslos brennenden Sonne ausgeht.

Eine literarische Dystopie, die enorme Schauwerte hat und zwischen den Zeilen eine weitere Geschichte erzählt. Was passiert, wenn wir mit der Erde weiter so umgehen, wie wir das jetzt tun? „Gold, Ruhm, Zitrus“ zeigt eine dramatische Möglichkeit auf. Einer von vielen Romanen, die auch Donald Trump lesen sollte. Das kann mit „seinem“ Amerika passieren, wenn man denkt, das mit dem Klimawandel sei alles Hokuspokus. Der jungen Amerikanerin Claire Vaye Watkins ist mit „Gold, Ruhm, Zitrus“ ein echt moderner und literarischer Hingucker gelungen, den man so zuvor noch nicht gelesen hat.

Ullstein, 412 Seiten; 24,00 Euro


Phil Collins

daumen rauf

Da kommt noch was – Not Dead Yet

Phil Collins Da kommt noch was Not Dead Yet

Nur drei Musiker weltweit haben als Solokünstler und mit ihrer Band jeweils über 100 Millionen Tonträger verkauft – Phil Collins ist einer von ihnen. „Another Day in Paradise”, “You Can’t Hurry Love, “One More Night”, “Sussudio” – große Songs mit großen Geschichten. Mit „In the Air Tonight“ etwa hat der Ausnahmemusiker das Ende einer seiner drei Ehen in einen zeitlosen Hit verwandelt. Überhaupt – dieses Leben! Phil Collins erzählt von einem Filmdreh mit den Beatles, von Sessions mit Eric Clapton, Tina Turner und Adele, von der großen Zeit mit Genesis und davon, wie er auf einer Tournee heiratet, um sich später via Fax wieder scheiden zu lassen – und Jahre darauf gänzlich im Alkohol zu ertrinken.

Phil Collins gehörte über Jahrzehnte zu den ganz Großen im Musikbusiness. Seine Hits sind für immer unvergessen und er hat einen ganz eigenen Stil geprägt. Einen Phil-Collins-Song hört man sofort heraus. So hervorstechend ist auch seine Autobiographie. Das Leben im Musikbusiness bot ihm sehr viele Höhen, im Privatleben durchlief er viele Tiefen. „Da kommt noch was“ – ja, auf jeder Seite kommt etwas überraschend Neues auf den Leser zu!

Heyne, 528 Seiten; 24,99 Euro


Ron Hall / Nicholas Tomalin

daumen rauf

Die sonderbare letzte Reise des Donald Crowhurst

Donald Crowhurst

Herbst 1968, vor der Küste Südwestenglands: Donald Crowhurst sticht als einer von neun Teilnehmern des „Golden Globe Race“ in See, um als Erster ohne Zwischenstopp die Welt zu umrunden. Trotz mangelnder Segelerfahrung scheint er am schnellsten voranzukommen, und die Öffentlichkeit feiert ihn bereits als Sieger. Doch acht Monate später wird sein verlassener Trimaran auf dem Atlantik entdeckt. Nur die Log- und Tagebücher befinden sich noch an Bord. Wer war dieser Mann, dessen Aufzeichnungen ein dunkles Geheimnis bergen? Und was ist auf See geschehen, dass er für immer verschollen blieb?

„Die sonderbare letzte Reise des Donald Crowhurst“ liest sich wie ein Krimi, ist Psychostudie und hervorragend journalistische Arbeit. Der Leser erfährt nicht nur viel über den Segelsport, sondern vor allem, wie man ein Bild von sich erschaffen kann, wenn man selbst nur stark genug daran glaubt. David Crowhust war ein Lügner, oder sollte man doch Mitleid mit ihm haben, oder vielleicht bewundern, dass er es überhaupt und wie er es soweit geschafft hat? Ein spannender Lesestoff auf mehreren Ebenen. Das Buch ist bereits 1970 das erste Mal in Originalsprache erschienen, 2016 erneut. Die deutsche Fassung erscheint ebenfalls als Neuauflage. Die Geschichte wird derzeit verfilmt, Hauptrolle: Colin Firth. Eine ausgezeichnete Wahl für die Rolle des David Crowhurst.

Malik, 396 Seiten; 20,00 Euro


Hörbuch der Woche

daumen rauf

John le Carré

Der Taubentunnel

Der TaubentunnelWas macht das Leben eines Schriftstellers aus? Die Einsamkeit des Schreibens? Mit dem Welterfolg von „Der Spion, der aus der Kälte kam“ gab es für John le Carré keinen Weg zurück in die Abgeschiedenheit. Er kündigte seine Stelle im diplomatischen Dienst, reiste zu Recherchezwecken um die halbe Welt und traf die Mächtigen aus Politik- und Zeitgeschehen, aber auch aus dem Filmgeschäft. So entstand eine realitätssatte Literatur, die den Nerv der Zeit trifft. Der Autor ist ein guter und unabhängiger Beobachter, mit einem Gespür für Macht und Verrat. In seinen Memoiren blickt er nun zurück auf sein Leben und sein Schreiben.

John le Carré erzählt von Agenten, Politik und Politikern, dem Weltgeschehen, Filmen und aus der Welt des Schreibens und des Filmemachens. „Der Taubentunnel“ ist wahrlich eine Fundgrube an Geschichten, die einen Seite um Seite, CD um CD, immer wieder aufs Neue staunen lassen. John le Carrés Leben war nicht so dramatisch, wie das seiner literarischen Figuren, aber weniger spannend war es auch nicht. Walter Kreye liest so, als ob er die Geschichten selbst erlebt hätte. Er nimmt den Faden auf, den John le Carré mit der Einleitung gegeben hat, die der Engländer selbst liest. Natürlich in seinem gepflegten Deutsch.

Auch als Hardcover erhältlich bei Ullstein, 22,00 Euro.

Hörbuch Hamburg, 10 CDs, 800 Minuten; 21,99 Euro


Denglers-buchkritik.de

 

Aktuelle Kolumne vom 16.01.2017 – Nr. 438


Judith Lennox

daumen rauf

Die Frau des Juweliers

Die Frau des Juweliers

Kairo, 1938: Wir werden uns lieben, denkt Juliet, als sie den reichen englischen Juwelier Henry Winterton heiratet und mit ihm nach England geht. Sofort empfindet sie das Herrenhaus Marsh Court als ihr neues Zuhause. Doch ihre Heirat soll sich als großer Fehler herausstellen. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, wird alles noch schlimmer. Plötzlich schwelgen die Wintertons nicht mehr in Luxus, und Juliet kämpft um das Überleben der Familie. In ihrer Verzweiflung und ihrem Hunger nach Liebe lässt sie sich auf eine Affäre mit dem charismatischen Gillis ein. Doch ihn umgibt ein Geheimnis, das ihr Leben zerstören könnte.

Judith Lennox’ Geschichten nehmen einen schnell für sich ein. Voller Eleganz und Hingabe beschreibt sie das Geschehen und ihre Figuren. „Die Frau des Juweliers“ reiht sich vollkommen in die klasse Geschichten von Judith Lennox ein. Die Story beginnt ruhig, aber sie kommt dann schnell in Gang und man ist gefesselt von Juliets Weg. Wie sie die Ehe erträgt und trotzdem nicht restlos verzweifelt, wie sie sich den veränderten Umständen anpasst und versucht, irgendwie das Beste herauszuholen. Eine Familiengeschichte, die von 1938 bis 1966 reicht. Judith Lennox gehört zu den weltbesten Autorinnen gehobener Unterhaltungsliteratur!

Auch als Hörbuch erhältlich bei Osterwold Audio. Cathlen Gawlich entführt einen mit ihrer Stimme prächtig in die damalige Zeit! 19,99 Euro.

Pendo, 527 Seiten; 19,99 Euro


Arnold Stadler

daumen runter

Rauschzeit

RauschzeitAlain und Mausi, beide vierzig, sie sind seit 15 Jahren verheiratet, nicht nur ihr Leben, auch die Liebe ist in die Jahre gekommen. Im Juni 2004 stirbt überraschend die gemeinsame Freundin Elfi. Bei beiden reißen alte Wunden auf. Elfi, das war eine Freundin aus den Tagen der Freiburger Wohngemeinschaft mit Alain, Mausi, Justus, Inge, Toby und Babette. Elfi, das war eine lebenslustige und sterbenstraurige Fotografin, deren einziges Sujet die Männer waren, auch Alain. Aber was hat die Zeit seitdem aus ihnen gemacht? Justus und Inge sind Spießer geworden, Norbert ist an Aids gestorben, Toby spurlos verschwunden. Jetzt, mehr als zwanzig Jahre nach dem Sommer von 1983, begegnet Alain in Köln seiner großen Liebe Babette wieder, und Mausi verliebt sich in Berlin in einen blonden Dänen, der sich in der Oper neben sie setzt.

Drei Jahrzehnte, so lange schreibt Arnold Stadler schon sehr gute und sehr schlechte Romane. In dieser Zeit hat er einige kleinere Literaturpreise gewonnen, „Rauschzeit“ stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2016. Ich war sehr gespannt auf „Rauschzeit“, denn die Story verspricht ein berauschendes Leseerlebnis, in dem es um die Ehe, die Liebe, die verlorene Zeit im Leben geht. Das bekommt man auch, aber in schleppenden, teils unlesbaren Dosen serviert. Arnold Stadler verplappert sich ein ums andere Mal, die Story bewegt sich so nur schleppend vom Fleck und man hofft bald nur noch auf eines: das Ende. Arnold Stadler findet einen eigenen Stil, eine eigene Sprache, ja, aber das ist weder berauschend noch leserfreundlich.

S. Fischer, 548 Seiten; 26,00 Euro


Nina Sahm

daumen rauf

Das ganze Leben da draußen

Das ganze Leben da draußen Elín ist ein besonderes Mädchen – eigenwillig, verträumt und wie aus der Zeit gefallen. Sie entfernt sich immer mehr von ihren Altersgenossen und folgt in jeder freien Minute den Fährten eines jungen Fuchses, der in der Umgebung von Reykjavik aufgetaucht ist. Selbst ihre Lehrerin Alfa dringt nicht zu ihr durch, obwohl auch diese eine ziemliche Außenseiterin ist. Ihre Welt hat einen Sprung bekommen, seit ihr großes Vorbild – ihr Großvater Magnús – sich das Leben genommen hat. Alfa würde am liebsten der Realität entfliehen und die Welt neu entdecken. Und so brechen die beiden jungen Frauen gemeinsam aus und begeben sich auf eine sehr eigene Reise jenseits von gesellschaftlichen Vorstellungen und Idealen.

So schrecklich und antiquiert Arnold Stadler erzählt, so frisch und forsch erzählt Nina Sahm. Sie holt nicht, wie Arnold Stadler, eine Seite aus, bis sie auf den Punkt kommt, sondern bei ihr bedeutet jeder Satz ein Fortbewegen der Geschichte, ein Fortbewegen der Charaktere. Bei „Das ganze Leben da draußen“ kommt man schnell in einen Leserausch und will wissen, wie es mit den Figuren weitergeht, was sie denken, was sie fühlen. Dabei ist die Geschichte keine leichte, beide, Elín und Alfa, sind Frauen, die ihren ganz eigenen Weg im Leben suchen. Dass der Roman in Island spielt ist eigentlich nur eine Randerscheinung, da man als Leser sehr fokussiert auf die beiden Hauptfiguren ist. Nina Sahm schreibt eine Geschichte die man fühlt, und beschreibt Figuren, mit denen man mitfühlen kann.

Droemer, 287 Seiten; 14,99 Euro


Hamed Abdel-Samad

daumen rauf

Der Koran

Der Koran

Die Bürgerkriege innerhalb der islamischen Welt und die Konfrontation mit dem Westen sind die Grundkonflikte unserer Zeit. Im Koran selbst liegen die Wurzeln dieser Auseinandersetzungen, denn einerseits birgt er eine Botschaft der Toleranz und des Mitgefühls, andererseits ist er ein religiöser Text, der Brutalität und Mord legitimiert. Dieser Widerspruch rührt von der Person und dem Leben Mohameds her, dem anfangs friedlichen Prediger und späteren Warlord.

Der gebürtige Ägypter Hamed Abdel-Samad öffnete uns Deutschen die Augen, wenn es um Mohamed, den Islam und nun auch den Koran geht. Der Bestsellerautor erklärt in klarer Form die Botschaften der Liebe und des Hasses aus dem Koran. Man bekommt als Leser so einen schnellen Überblick über entscheidende Suren, die meist Auslegungssache sind. Wenn man ein böser Mensch ist, kann man danach auch böses tun. Hamed Abel-Samad ist vor allem unter den Muslimen ein streitbarer Autor, doch er spricht an, was gesellschaftlich unbedingt offen diskutiert werden muss. In einem freien Land wie unserem ist das selbstverständlich und sehr wichtig.

Droemer, 236 Seiten; 19,99 Euro


Philippe-Joseph Salazar

daumen rauf

Die Sprache des Terrors

Die Sprache des Terrors

Worte können unzählige Menschen zu Taten antreiben, wie man an der Propaganda der Dschihadisten sehen kann. Der Dschihadismus bedient sich einer schlagenden Redekunst, die jedoch nichts mit dem zu tun hat, was wir in der Politik für logisch, vernünftig und überzeugend halten. Wollen wir den Kampf mit dem IS aufnehmen, müssen wir verstehen, worin die Wortgewalt und Überzeugungskraft seiner Sprache besteht. Und – falls man es bei den Waffen der Worte belassen will – islamisch denken, sprechen und argumentieren.

Philippe-Joseph Salazar, in Casablanca geboren, jetzt in Kapstadt als Professor für Rhetorik tätig, hat sich mit dem Phänomen der Sprache der Dschihadisten auseinandergesetzt. Oft nur durch Worte und auch durch die Bildsprache werden die Kämpfer abgeworben und stellen sich bereitwillig dem Todeskampf gegen den Westen. Dieses Buch beleuchtet viele Aspekte dieser rhetorischen Gewaltmacht. Man erfährt Dinge, die bei einem normalen zivilen Denken, schier unglaublich scheinen.

Pantheon, 223 Seiten; 14,99 Euro


Hörbuch der Woche

daumen rauf

Paulo Coelho

Die Spionin

Die SpioninWer ist die Frau hinter dem schillernden Mythos? Paulo Coelho schlüpft in ihre Haut und lässt sie in einem fiktiven, allerletzten Brief aus dem Gefängnis ihr außergewöhnliches Leben selbst erzählen: vom Mädchen Margaretha Zelle aus der holländischen Provinz zur exotischen Tänzerin Mata Hari, die nach ihren eigenen Vorstellungen lebte und liebte und so auf ihre Art zu einer der ersten Feministinnen wurde. Doch als der Erste Weltkrieg ausbricht, lässt sie sich auf ein gefährliches Doppelspiel ein.

Weltbestsellerautor Paulo Coelho wendet sich der weltbekannten Geschichte der Mata Hari zu. Und er macht das sehr prägnant, schwungvoll und lässt es an Spannung nicht vermissen. In „Der Spionin“ erfährt man die wichtigsten Stationen aus Margarethe Zelles Leben. Als Leser und Hörer ist man durchaus zufrieden. Doch es gibt auch Kritik, denn aus dem Leben der Mata Hari hätte man einen viel größeren, viel bunteren, viel spannenderen Roman machen können. Das Hörbuch dauert zweihundert Minuten, Mata Haris Leben hätte Stoff für 800 Minuten hergegeben. Gelesen wird „Die Spionin“ von Luise Helm. Sie ist Mata Hari, und spricht sie gefährlich kühl und berechnend. Eine klasse Vorstellung! Sven Görtz spricht den männlichen Part, den Anwalt von Mata Hari. Seine Lesezeit ist eher kurz.

Auch als Hardcover erhältlich bei Diogenes, 19,90 Euro.

Diogenes Hörbuch, 3 CDs, 203 Minuten; 19,99 Euro


Denglers-buchkritik.de

 

Kolumne vom 23.01.2017 – Nr. 440


Elisa Albert

daumen rauf

Einschnitt

Einschnitt

Vor einem Jahr hat Ari ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Walker ist ein munteres, fröhliches Kerlchen, doch Ari wurde von dem ungeplanten Kaiserschnitt völlig aus der Bahn geworfen. Sie meint, eine Versagerin zu sein, die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben und fühlt sich unendlich allein. Als Mina Morris, ehemaliger Rockstar und hochschwanger, in ihre Nachbarschaft zieht, hofft sie, in der älteren und selbstbewussteren Frau eine Bundesgenossin zu finden – ihren früheren negativen Erfahrungen mit Frauenfreundschaften zum Trotz.

„Einschnitt“ ist definitiv kein Buch für Weicheier! Die Amerikanerin Elisa Albert spricht in einem schnoddrigen Ton schonungslos Wahrheiten an, die man, also Frau, sich normal nicht auszusprechen traut. Wie man das eigene Kind zwar lieben, sehr lieben sogar, aber das ganze Schwanger- und dann Muttersein einen einfach nur ankotzen kann. Nichts von Erfüllung, nichts von träumerischer Glückseligkeit Mutter zu sein. Nein, hier wird die andere Seite der Medaille angesprochen. Da kommt es dann zu Aussagen wie: „Der Kleine ist super, aber eben ein Baby, und von denen sind nun mal selbst die nettesten immer noch repressiven, faschistischen, narzisstischen Scheißdiktatoren.“ Oder: „Ich gebe dem Scheißjungen nicht die Scheißflasche. Nicht diese verkackte Pudergiftkuhzuckerchemiescheiße, Ekelnestléafrikagewaltplörre“ Ein Roman, der mit Konventionen bricht und ausspricht, was vielen sauer aufstoßen wird. Zugleich eine Betrachtung der Gesellschaft rund um das Muttersein, Freundschaften und Beziehungen. Elisa Alberts Stil ist sensationell, ein literarischer Rap!

dtv, 209 Seiten; 15,90 Euro


Alexey Pehov

daumen runter

Dunkler Orden

Dunkler OrdenIn Fürstentümern, in verlassenen Dörfern, im Dunkelwald und am Ufer des Meeres treiben düstere Seelen ihr Unwesen. Gerüchte über eine schicksalhafte Urteilsverkündung geraten in Umlauf. Ludwig van Normayenn und die Bruderschaft der Seelenfänger sind die letzte Hoffnung der Menschen – nur sie können das Land noch vor der Dunkelheit bewahren. Doch Ludwig ist lebensgefährlich verwundet worden. Wird die Bruderschaft scheitern und die Welt zugrunde gehen?

Der Russe Alexey Pehov gehört zu den besten Fantasy-Autoren des Kontinents! Seine „Chroniken von Siala“ haben mich begeistert. Umso gespannter war ich auf seine neue Trilogie „Chroniken der Seelenfänger“. Doch schon bei Band 1 „Schwarzer Dolch“ wollte der Funken bei mir einfach nicht so recht überspringen. Die Charaktere waren noch das Beste, aber die Geschichte hat mich wenig angezogen. Weitere Minuspunkte waren die teils schleppende Handlung und die wenig richtigen spannenden Momente. Das alles setzte sich auch in Band 2 „Dunkler Orden“ fort. Die „Chroniken der Seelenfänger“ ist durchaus noch gut lesbare Fantasy, aber Alexey Pehov hat ja bewiesen, dass er viel bessere Ideen hat und diese dann auch besser umzusetzen weiß.

Piper, 489 Seiten; 16,99 Euro


Hannah Rothschild

daumen rauf

Die Launenhaftigkeit der Liebe

Die Launenhaftigkeit der Liebe London. Single Annie McDee verharrt ungern in diesem Status und träumt von der großen Liebe. Eines Tages kauft die junge Köchin in einem Trödelladen ein verstaubtes kleines Gemälde, nicht ahnend, dass dieses Bild nur wenige Monate später die internationale Kunstwelt in helle Aufregung versetzen wird. Schwerreiche russische Oligarchen, Staatspräsidenten, die Gattin eines Ölscheichs und ein Gangster-Rapper werden vor dem altehrwürdigen Auktionshaus Monachorum & Sons Schlange stehen, um den „Verkauf des Jahrhunderts“ für sich zu entscheiden. Doch auch Annies Leben wird durch das Bild „Die Launenhaftigkeit der Liebe“ auf den Kopf gestellt. Sie gerät ins Zentrum der dunklen Machenschaften skrupelloser Kunsthändler, die zu allem bereit sind, damit ein gut gehütetes Familiengeheimnis nicht ans Tageslicht kommt …

Ein Krimi, ein Drama, eine Satire, ein Liebesroman, „Die Launenhaftigkeit der Liebe“ spielt kunstvoll mit den Genres und bietet dabei eine ganze Menge an Spannung, gelungen Szenen und Dialogen, Wendungen und sonstigen Überraschungen. Zudem erfährt man sehr viel über die teils abgehobene, irrsinnige und versnobte Kunstwelt. Ein wirklich goldglänzender Roman, wie der Einband richtig suggeriert. Mit „Der Launenhaftigkeit der Liebe“ ist der Engländerin Hannah Rothschild ein fantastischer Debütroman gelungen

DVA, 458 Seiten; 21,99 Euro


Charles C. Mann

daumen rauf

Amerika vor Kolumbus

Amerika vor Kolumbus

Der Autor schreibt die Geschichte des vorkolumbischen Amerikas. Er macht deutlich, dass die indianischen Kulturen oftmals weiterentwickelt waren als die europäische. Ihre Boote waren schneller und wendiger als die der Europäer, ihre Städte größer als das damalige Paris. Kolumbus‘ Ankunft in Amerika veränderte den Kontinent fundamental. Zwei Zivilisationen trafen aufeinander, deren Historie und Kultur unterschiedlicher nicht hätten sein können, und für die Ureinwohner war die Begegnung folgenschwer: Die Masern-, Pocken- und die Grippeviren, welche die Europäer einschleppten, rafften einen Großteil von ihnen dahin, Kriege entmachteten sie.

Wollen Sie wissen, wie Amerika wirklich wahr, bevor Kolumbus es entdeckte? Dann ist dieses Buch absolute Pflichtlektüre! Von Charles C Mann, der mit „Kolumbus Erbe“ ein beachtlichtes Werk verfasst hat, erscheint nun sein Werk von 2005 „Amerika vor Kolumbus“ endlich auf Deutsch. Charles C. Mann erzählt fesselnd und sehr anschaulich von den Anfängen von Amerika, wie es der normale Deutsche wohl bisher nicht kannte. Das reicht von 10.000 v. Chr. über 1491 n. Chr. bis 1600 n. Chr. Ein allumfassendes Werk über einen für uns bisher unbekannten Kontinent, bevor 1491 kam.

Rowohlt, 720 Seiten; 29,95 Euro


Clemens Berger

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Im Jahr des Panda

Im Jahr des Panda

Der international gefeierte und reiche Künstler Kasimir Ab tauscht das Atelier mit der Straße und tritt ungewollt eine gesellschaftliche Kettenreaktion los. Pia und Julian, die bei einer Sicherheitsfirma angestellt sind und Nacht für Nacht Geldautomaten befüllen, fragen sich, wie groß die Summe für einen gemeinsamen Neuanfang in einem anderen Teil der Welt wohl sein müsste. Und Rita, Tierpflegerin im Schönbrunner Tierpark, wird aus ihrem einsamen, zurückgezogenen Leben durch die Geburt eines kleinen Pandabären herausgerissen und durchlebt unerwartet einen zweiten Frühling.

Geld macht glücklich. Ist das so? Ja, so ist es. Aber auch nur bis zu einem gewissen Grad. Der Österreicher Clemens Berger zeigt in seinem fast 700 Seiten langen Roman „Im Jahr des Panda“ auf anschauliche, ansprechende und spannende Weise, wie mehrere ganz unterschiedliche Personen mit dem Leben, dem Geld, dem empfundenen Glück, dem Menschsein umgehen. Das sehr interessante Figurenensemble trägt diese Themen mit leichter Hand voran.

Luchterhand, 670 Seiten; 24,00 Euro


Hörbuch der Woche

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Gerhard Jäger

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod

Der Schnee das Feuer die Schuld und der TodHerbst, 1950 Der junge Wiener Historiker Max Schreiber kommt in ein Tiroler Bergdorf, um einem alten Geheimnis auf den Grund zu gehen. Konfrontiert mit der archaischen Bergwelt und der misstrauischen Dorfgemeinschaft, fühlt er sich mehr und mehr isoliert. In seiner Einsamkeit verliert er sich in der Liebe zu einer jungen Frau, um die jedoch auch ein anderer wirbt. Dann passiert viel, nicht zuletzt mehrere tödliche Lawinen, die über das Dorf hereinbrechen. Dann gerät Schreiber unter Mordverdacht und verschwindet spurlos – nur seine Aufzeichnungen bleiben zurück. Mehr als ein halbes Jahrhundert später will ein alter Mann endlich die Wahrheit wissen. Von seinen eigenen Schatten verfolgt, begibt er sich auf Spurensuche in die Vergangenheit.

Ein literarisches Husarenstück, so gewaltig wie eine Lawine! Es dauerte aber bei mir etwas, bis ich in die Geschichte hineinkam, aber schon bald konnte ich ihr nicht mehr entfliehen. Peter Matic liest den „alten Mann“. Bei seiner Stimme, er leiht sie auch Ben Kingsley (er hat sogar Ähnlichkeit mit ihm), reicht ein Wort, und man weiß sofort, wer da spricht. Sein Charisma ist ohrenberaubend! Peter Matic, bitte lesen Sie viel mehr Hörbücher! Max Schreiber wird gelesen von dem jungen österreichischen Schauspieler Manuel Rubey, der im Kinofilm Falco verkörperte. Seine Lesung erinnert immer wieder an eine Predigt in der Kirche. Das mag arg langweilig klingen, ist es aber überraschender Weise nicht. Mit jeder CD klebt man mehr an seinen Lippen.

Auch als Hardcover erhältlich bei Blessing, 22,99 Euro.

Random House Audio, 6 CDs, 439 Minuten; 19,99 Euro


Denglers-buchkritik.de

 

Kolumne vom 30.01.2017 – Nr. 441


Jean-Christophe Grangé

daumen rauf

Purpurne Rache

Purpurne Rache

Grégoire Morvan, graue Eminenz des französischen Innenministeriums, war in den Siebzigerjahren mit lukrativen Geschäften im Kongo erfolgreich. Und er hat dort den berüchtigten Killer Homme-Clou gefasst, der seinerzeit einem bestialischen Ritual folgend neun Menschen ermordet hat. Als an einer bretonischen Militärschule ein Toter gefunden wird, dessen grausame Entstellung dem Modus operandi des Homme-Clou ähnelt, und Morvans Familie akut bedroht wird, muss er sich mit allen Mitteln den Schatten einer Vergangenheit stellen, die niemals aufgehört hat, nach Blut zu dürsten …

„Purpurne Rache“ ist weit mehr als ein spannender Thriller im XL-Format, es ist ein intensiver Roman über eine Familie, deren Mitglieder alle ganz eigene dunkle Geheimnisse hüten. Jean-Christophe Grangé beschreibt die Figuren und deren Leben anschaulich und prägend. Von allen hat man eine ganz klare Vorstellung. „Purpurne Rache“ weicht weit vom bekannten Thriller-Mainstream ab. Man kann sich nie sicher sein, was als nächstes passiert. Jean-Christoph Grangè hat zahlreiche Erzählstränge, die es alle in sich haben. Bei jedem möchte man sofort wissen, wie es weitergeht. Frankreichs Thriller-Superstar Jean-Christophe Grangé ist mit „Purpurne Rache“ ein echtes Meisterstück gelungen!

Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Reiner Schöne bringt Thrill und Drama perfekt rüber. 19,99 Euro.

Lübbe, 766 Seiten; 26,00 Euro


Gustaaf Peek

daumen runter

Göttin und Held

Göttin und HeldDies ist die Geschichte von Tessa und Marius. Sie kennen sich ein ganzes Leben lang, manchmal sind sie zusammen, manchmal nicht; über Jahre hinweg treffen sie sich heimlich in Hotelzimmern. Ihre Beziehung hat viele Namen: Romanze, Affäre, Obsession. Göttin und Held erzählt ihre Liebe unverhüllt, vom Ende zurück zum Anfang – von der letzten Berührung zum ersten Treffen, vom letzten Wort zum ersten Blick.


Auf diesen Roman war ich sehr gespannt. Ein moderner und spannender Liebesroman, der mit einem besonderen Kniff aufwartet – er wird rückwärts erzählt, von Kapitel 50 zu Kapitel 0. Um das von Kapitel zu Kapitel nachvollziehbar hinzubekommen, muss man ein sehr guter Autor sein. Der Niederländer Gustaaf Peek beweist mit „Göttin und Held“, dass er das nicht ist. Eigentlich müsste man sagen, der Roman ist fürchterlich misslungen! Wenn man es autorenfreundlich ausdrückt, dann könnte man auch sagen, der Autor hatte eine fantastische Idee, er hat sich bemüht, aber das Endergebnis ist sehr ernüchternd. Was zudem noch fehlt, ist die zu Anfang erhoffte Spannung. Der Roman wird schnell langweilig. Die Figuren bleiben blass, es bleibt nur noch übrig, dass es ein moderner Roman ist, der in den Niederlanden zum Bestseller wurde. Das ist eigentlich damit nur zu erklären, dass auch hier bei den Lesern Hoffnung auf etwas ganz Großes bestand.

DVA, 333 Seiten; 19,99 Euro


T. S. Orgel

daumen rauf

Die Blausteinkriege 2 – Sturm aus dem Süden

Die Blausteinkriege 2  Sturm aus dem Süden Das Kaiserreich Berun ist in seinen Grundfesten erschüttert. Am Hof regieren Intriganten, der Kaiser ist schwach, und im Süden probt das Protektorat Macouban den Aufstand. In diesen Wirren schlägt die Stunde ungewöhnlicher Helden. Der Schwertmann Marten, die Spionin Sara und der in Ungnade gefallene Danil machen eine Entdeckung, die ihr Schicksal und das von Berun ins Ungewisse stürzen wird. Denn ihr wahrer Feind gibt sich jetzt zu erkennen. Zwei dunkle Schiffe kreuzen vor den Küsten des Südens …

Hinter dem Pseudonym T. S. Orgel stehen die Brüder Tom und Stephan Orgel, und die Brüder haben schon mit ihrer „Orks-vs.-Zwerge“-Saga für Aufsehen gesorgt. Mit „Die Blausteinkriege“ starten sie nun ein neues Fantasy-Epos. Der erste Teil hat schon sehr viel Lust darauf gemacht, mehr vom Kaiserreich Berun und seinen Schurken und Helden zu erfahren. Nun liegt mit „Sturm aus dem Süden“ der zweite Teil der „Blausteinkriege“ vor. Und es geht genauso spannend und vielfältig weiter wie im ersten Teil. „Die Blausteinkriege“ hat Anleihen von den Fantasy-Bestsellerautoren George R. R. Martin, Richard Schwartz und Trudi Canavan.

Heyne, 634 Seiten; 14,99 Euro


Peter Frankopan

daumen rauf

Licht aus dem Osten

Licht aus dem Osten

Im Nahen und Mittleren Osten entstanden die ersten Hochkulturen und alle drei monotheistischen Weltreligionen; ein Reichtum an Gütern, Kultur und Wissen, der das Alte Europa seit jeher sehnsüchtig nach Osten blicken ließ. Der Autor erzählt von Alexander dem Großen, der Babylon zur Hauptstadt seines neuen Weltreichs machen wollte; von Seide, Porzellan und Techniken wie der Papierherstellung, die über die Handelswege der Region Verbreitung fanden; vom Sklavenhandel mit der islamischen Welt, der Venedig im Mittelalter zum Aufstieg verhalf; von islamischen Gelehrten, die das antike Kulturerbe pflegten, lange bevor Europa die Renaissance erlebte; von der Erschließung der Rohstoffe im 19. Jahrhundert bis hin zum Nahostkonflikt.

Ein beachtliches Werk, das einem Geschichten und Fakten vor Augen führt, die überraschen und spannend erzählt sind. Der Nahe und Mittlere Osten war einst der Mittelpunkt der Welt, hier wurde Großes entdeckt und geschaffen. „Licht aus dem Osten“ ist eine Lektüre, die auch denen in Europa empfohlen ist, die sich heute als Mittelpunkt der Welt ansehen. Alles kann sich verändern, wenn man sich nicht weiterentwickelt. Großartig!

Rowohlt, 941 Seiten; 39,95 Euro


Sayed Kashua

daumen rauf

Eingeboren

Eingeboren

Es sind kleine Szenen, die Sayed Kashua einfängt, um eine zutiefst gespaltene Gesellschaft zu beschreiben und die absurde Situation auszuloten, in der Israelis heute leben. Etwa wenn der arabische Kolumnist der Tageszeitung Haaretz sich zum doppelten Preis beim Juden das Haar schneiden lässt, einen dezenten Citroën anschafft und das Auto von innen und außen wäscht, um Sicherheitskontrollen unbehelligt zu passieren. Oder wenn die kleine Tochter sich versehentlich auf Arabisch bedankt und der Wachmann im Einkaufscenter sofort auf Hebräisch den Ausweis verlangt. Der Autor erzählt vom Fremdsein im eigenen Land.

Sayed Kashua, Jahrgang 1975, wuchs im Grenzgebiet zum Westjordanland auf und lebt lange in einem jüdischen Viertel Jerusalems. 2014 emigrierte er in die USA, da die Hoffnung nicht mehr ausreichte, um das Zusammenleben von Juden und Arabern durch Schreiben zu verändern. Sayed Kashua verließ den verflucht geliebten Ort, über den er zuvor so viele interessante, geistreiche und aus dem Leben gegriffene Geschichten erzählte. Die Geschichten, also die Kolumnen, erschienen in den Jahren 2006 bis 2014 in der Tageszeitung „Haaretz“. Man lernt Israel und seine Menschen kennen, das schwierige Zusammenleben, an dem Sayed Kashua am Ende verzweifelte.

Berlin Verlag, 349 Seiten; 22,00 Euro


Hörbuch der Woche

daumen rauf

Tony Parsons

Wer Furcht sät

Wer Furcht sätIn London macht eine Bürgerwehr, der Club der Henker, Jagd auf böse Menschen – auf Pädophile, Mörder, Hassprediger – und erhängt sie. Mit diesen Fällen von Lynchjustiz beginnen für Detective Max Wolfe seine bisher schwierigsten Ermittlungen. Denn wie fängt man Mörder, die von der Öffentlichkeit als Helden gefeiert werden? Seine Spurensuche führt ihn tief unter die Stadt, in den Untergrund Londons mit seinen vielen stillgelegten Tunneln und Geisterstationen. Doch ehe Max den Club der Henker stellen kann, muss er am eigenen Leib erfahren, wie schmal der Grat zwischen Gut und Böse, Schuld und Unschuld ist.

Nach „Dein finsteres Herz“ und „Mit Zorn sie zu strafen“ ist „Wer Furcht sät“ der dritte Fall für Detective Max Wolfe. Spannend von Anfang an! Mit hoher Geschwindigkeit erzählt Tony Parsons auch den dritten Fall für den straighten Detective Max Wolfe. Das Thema der Selbstjustiz, weil der Staat zwar Recht aber nicht Gerechtigkeit hat walten lassen, ist nicht neu, aber eben sehr spannend dargereicht. Viele Täter von richtig schweren Straftaten kommen mit viel zu geringen Strafen davon, das sehen wohl viele von uns so, daher ist der Thriller auch sehr emotional. Doch Selbstjustiz ist natürlich auch keine Lösung, sondern härtere Gesetzte und Verurteilungen. Dietmar Wunder, die deutsche Stimme von 007 Daniel Craig, liest gewohnt ausdrucksstark und hebt die soundso schon sehr gute Story auf ein noch höheres Level.

Auch als Paperback erhältlich bei Lübbe, 15,00 Euro.

Lübbe Audio, 4 CDs, 295 Minuten; 14,99 Euro


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