BuchKolumne 11.01.2020 Nr. 647
Simon Turney – Caligula
Ijoma Mangold – Der innere Stammtisch
Alison Weir – Anne Boleyn – Die Mutter der Königin
Georges Manolescu – Fürst Lahovary
Patricia Highsmith – Ladies
Simon Turney – Caligula
Rom, 37 nach Christus. Kaiser Tiberius liegt im Sterben. Als er Caligulas Familie in die kaiserliche Erbfolge bestimmt, ahnt er nicht, dass er damit den berüchtigtsten Tyrannen erschafft, den das Reich je sehen wird: Caligula. Caligula – der römische Kaiser, der zum Inbegriff des wahnsinnigen Gewaltherrschers wird, der unzählige Mordbefehle erteilt, monströse Gladiatoren-Spiele veranstaltet, bei denen er selbst in einen Blutrausch verfällt. Der Kaiser, den bereits seine Zeitgenossen verdammen.
Doch war Caligula tatsächlich das Monster, als das er in die Geschichte einging? Livilla, seine jüngste Schwester, hat ihn auch anders erlebt.
Der englische Bestsellerautor Simon Turney widmet sich in seinem neuen Roman einer historisch interessanten Figur: Caligula. Simon Turney lässt uns Caligula durch die Augen seiner Schwester Livilla erleben. Sie erzählt davon, wie ihr stiller Bruder zum mächtigsten Mann seiner Zeit wurde. Und wie Intrigen, Mord und Verrat das römische Reich für immer veränderten. Ganz schnell ist klar, man kann sich Simon Turneys „Caligula“ nicht entziehen! Er erzählt mitreißend, lebendig, detailliert. Man erlebt und atmet Rom, das Römische Reich, man erlebt Machthunger, Machtmissbrauch, Hass, Neid, Rache, Folter, Tod. Das Simon Turney die Geschichte von Livilla erzählen lässt, ergibt einen besonderen Blick auf die Zeit, ihre Brüder und Schwestern. Die Stellung der Frau und die Gefahren, deren ihre Brüder ausgesetzt sind, auch wenn die Macht ihnen beiseite steht. Vor allem Livillas Schwester Agrippina treibt den LeserInnen den Puls in die Höhe. Sie treibt es mit ihren Intrigen auf die Spitze. „Caligula“ ist ein historischer Roman, den man so schnell nicht wieder aus dem Kopf bekommt!
Ullstein, 654 Seiten; 11,99 Euro
Ijoma Mangold – Der innere Stammtisch
Ijoma Mangold führt ein politisches Tagebuch und notiert darin die Ereignisse unserer Gegenwart. Er beschreibt, was er auf der Weihnachtsfeier der „Zeit“ und am Rande der Berlinale erlebt, dass sein Sportlehrer sich nie angeschnallt hat und warum Greta ihn triggert. Im Januar erklärt Helena, eine russlanddeutsche Bekannte, ihm ihren Feminismus, im Februar denkt er über das Wahlergebnis in Hamburg nach, im März stellt er fest, dass der „Decamerone“ bei Dussmann ausverkauft ist. Wegen Corona. Verwundert blickt er auf die, denen einerseits „Tugendterror“ oder „Multikulti-Romantik“, andererseits „Agism“ oder „Faschismus“ leicht von den Lippen gehen.
Ijoma Mangold, einst Literaturchef der Wochenzeitung „Die Zeit und nun Kulturpolitischer Korrespondent der Zeitung, ist ein sehr von sich eingenommener Zeitgenosse. Dieses Selbstbildnis lässt er auch immer wieder in seinem neuen Buch „Der innere Stammtisch“ durchblicken. Sein „politisches Tagebuch“ hat einige interessante Aspekte und Themen, aber die machen das Buch nur kaum weniger ermüdend. Der Autor wiederholt sich oft und weiß wenig interessant zu schreiben. Es fehlt die Würze, der Weitblick, der Schwung. Man muss relativ schnell feststellen, würde nicht Ijoma Mangold auf dem Cover des Buches stehen, wäre dieses vor der Veröffentlichung unkommentiert vom Verlag an den Autor zurückgesandt worden. Das sagt alles über das Buch aus.
Rowohlt, 271 Seiten; 22,00 Euro
Alison Weir – Anne Boleyn – Die Mutter der Königin
England, Anfang des 16. Jahrhunderts: Als Anne Boleyn als Hofdame von Königin Katharina an den englischen Hof kommt, ist König Heinrich sofort hingerissen von ihr. Sie wird seine Obsession. Um mit Anne zusammen sein zu können, nimmt er Skandale in Kauf. Weil sie sich weigert, seine Mätresse zu sein, lässt sich Heinrich von seiner ersten Ehefrau Katharina scheiden und reformiert die religiöse und politische Tradition Englands. Was er nicht weiß: Anne wird seine Liebe niemals erwidern. Als auch sie ihm keinen männlichen Erben schenken kann, fällt sie in Ungnade.
Die britische Bestsellerautorin Alison Weir ist in ihrer Heimat bekannt für ihre ausgezeichneten historischen Romane. Vor einigen Jahren hat sie bereits ein Mammutromanprojekt gestartet. Eine Reihe um die sechs Tudor-Königinnen. In ihrer Heimat ist bereits der fünfte Band erschienen. Bei uns folgt nach „Katharina von Aragon – Die wahre Königin“ nun der zweite Band „Anne Boleyn – Die Mutter der Königin“. Alison Weir schafft es scheinbar spielerisch den LeserInnen sofort in die Zeit zu versetzen und einem die Figuren ganz nahe zu bringen. Sie schreibt so detailliert, ohne dabei ausschweifend zu werden. Ganz im Gegenteil, jedes noch so kleine Detail saugt man auf. Sie geht alles mit viel Feingefühl und Stärke an. Herausragend, überwältigend, verschlingend. Ein schillerndes Fest für Liebhaber historischer Romane! Wenn Sie die TV-Serie „Die Tudors“ mochten, werden Sie Alison Weirs „Tudor-Königinnen“-Saga lieben. Es ist zu hoffen, dass der Ullstein-Verlag schnell die weiteren Bände ins Deutsche übersetzt.
Ullstein, 778 Seiten; 12,99 Euro
Hoteldieb, Hochstapler, Glücksspieler. Georges Manolescu, um 1900 eine Weltberühmtheit, gebot über alles, was es braucht, um die Welt im großen Stil zu betrügen: gutes Aussehen, Charme, Geistesgegenwart, 1-A-Manieren, Chuzpe und „ein elastisches Gewissen“. Als falscher Fürst Lahovary steckte er alle und alles in die Tasche, betörte die Schönen und Reichen und brachte es sogar zu künstlerischen Ehren: Thomas Mann setzte ihm mit dem „Felix Krull“ ein weltliterarisches Denkmal, und Ernst Lubitsch huldigte ihm in der Filmfigur des Juwelendiebs „Gaston Monescu“.
Seine Memoiren waren Georges Manolescus wohl raffiniertester Clou. Hier erfährt man amüsiert, mit welchen Bluffs sich der arme Schlucker aus der rumänischen Provinz in schwindelnde Höhen empormogelte. Zugleich verspottet der „Jahrhunderthochstapler“ aber die Adelsgläubigkeit der besseren Kreise, ihre Oberflächlichkeit und Einfalt. Ein Buch, wie ein wilder Ritt auf einem Stier! Was Georges Manolescu zu berichten weiß, war für die damalige Zeit wahrlich gleichzusetzen wie der Einschlag einer Kanonenkugel – in das Herz der damaligen High Society. Diese Neuausgabe, die erste originalgetreue seit über hundert Jahren, vereint beide Bestsellerbände des Jahres 1905, „Ein Fürst der Diebe“ und „Gescheitert. Aus dem Seelenleben eines Verbrechers“.
Manesse, 448 Seiten; 24,00 Euro
Patricia Highsmith – Ladies
Eine junge Frau versucht sich mit einem Mord aus ihrer Ehe zu befreien. Ein Au-pair-Mädchen zündet das Haus seiner Arbeitgeber an, damit sie die ihr anvertrauten Kinder retten und zur Heldin werden kann. Zwei junge Mütter, geeint durch ihre unglücklichen Ehen, getrennt durch den Klassendünkel der einen und das Liebesglück der anderen. Ein Findelkind, das von Nonnen als Mädchen aufgezogen wird und das Kloster sprengt, um endlich ein Junge werden zu können. Das sind einige der Geschichten aus diesem Buch.
Ehe Patricia Highsmith durch ihren ersten Roman „Zwei Fremde im Zug“ (von Alfred Hitchcock genial verfilmt) über Nacht berühmt wurde, schrieb sie psychologische Stories. Über entwurzelte Einwanderer, tapfere Liebende, wissende kleine Mädchen und Jungen und vom Leben gebeutelte Frauen und Männer. Damals erschienen ihre Stories nur verstreut in Schul- und Frauenmagazinen. Diogenes bringt sechzehn frühe Stories der Star-Autorin nun in dem Band „Ladies“ heraus. Wie der Titel schon aussagt, spielen vor allem Frauen die Hauptrollen in diesen Geschichten. Schon diese frühen Werke zeigen, welch hohe Qualität die Autorin schon damals besaß. Spannend, abgründig, hinterlistig – Patricia Highsmiths in Reinkultur!
Diogenes, 309 Seiten; 24,00 Euro