Oktober 14, 2025

BuchTipp 09.2025

BuchTipps des Monats – September 2025

Das jeweilige Buch ist bei den Rezensionen besonders im Kopf geblieben und daher zum BuchTipp des Monats gewählt worden.

  Nava Ebrahimi – Und Federn überall

Es ist, als ob der Winter nicht zu Ende gehen will in der kleinen Stadt Lasseren im Emsland. Hier auf dem platten Land ist jahrein, jahraus nicht viel los. Wer Arbeit sucht, kommt an Möllring nicht vorbei, dem riesigen Geflügelschlachthof am Stadtrand. Für eine Handvoll Menschen beginnt dieser Montagmorgen mit großen Erwartungen. Sonia, alleinerziehende Mutter, hofft auf einen Job weit weg vom Hühnchen-Zerlege-Fließband. Für die junge Ingenieurin Anna steht mit dem Testlauf eines neuen Automatisierungsverfahrens bei Möllring so gut wie alles auf dem Spiel. Merkhausen wiederum, verlassener Ehemann mit einem Faible für Polinnen und zuständig für die Prozessoptimierung im Schlachtbetrieb, fiebert einem Date am Abend entgegen. Und dann ist da noch der geflüchtete Afghane Nassim, der sich in eine Affäre mit der zwanzig Jahre älteren Justyna verstrickt und fest daran glaubt, dass seine Gedichte die deutschen Beamten erweichen werden. Um diese zu übersetzen, ist Roshi, deutsch-iranische Autorin, extra aus Köln angereist. Als ein rücksichtsloser Fahrradfahrer dem sehbehinderten Mann mitten im Ort den Blindenstock kaputtfährt, bringt Nassim es mithilfe des örtlichen Radiosenders nicht nur zu lokaler Berühmtheit. Er bringt auch die Menschen dazu, der eigenen Wahrheit ins Auge zu sehen.

Iran, Deutschland, Österreich – die Lebensstationen der deutschsprachigen Literatin Nava Ebrahimi. Eine literarische Stimme, die viel Gehör finden sollte! Nava Ebrahimis Roman „Und Federn überall“ ist ein kleines Kunstwerk aus dem deutschen Kleinstadtalltag von sechs Menschen! Da kämpft z. B. Sonia mit ihren beiden Kindern und der Arbeit in der Geflügelfabrik, oder Merkhausen mit seiner eher langweiligen Arbeit in der Geflügelfabrik, aber dafür liebt er Polinnen, die er sich gerne aus dem Internet holt, oder Nasim, der Flüchtling aus Afghanistan, der Angst hat nicht in Deutschland bleiben zu dürfen. Nava Ebrahimi schafft es, dass die LeserInnen ganz nah an die Figuren herankommen, teilhaben an deren Leben, so als ob sie Nachbarn, Bekannte oder Freunde der Figuren wären. Und die Autorin hat viele Sätze geschrieben, die mir länger im Gedächtnis bleiben werden. Auch schwarzen Humor hat sie, ein Beispiel: Die Hersteller von Hähnchen warben in anderen Ländern drastisch, aber deutsche Verbraucher ticken anders. „Hier konnte man so etwas nicht zeigen. Hier stellten sich die Konsumenten vermutlich am liebsten vor, die Hühner wurden von einem Bauern in Karo-Hemd, mit von der harten Arbeit schwieligen, aber zärtlichen Händen totgestreichelt, jedes einzelne Huhn, ohne dass dabei eine einzige Feder flog.“ Ein ganz großer Gesellschaftsroman heruntergebrochen auf dem Mikrokosmos einer Kleinstadt und eines Geflügelschlachthofs! Präzise, prachtvoll, perfekt. „Und Federn überall“ ist für den Deutschen Buchpreis 2025 nominiert.

Luchterhand, 352 Seiten; 24,00 Euro

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